Leitsatz (amtlich)

1. Die örtliche Zuständigkeit des AG für die Anordnung von Sicherungshaft gegen einen Ausländer, dessen Luftabschiebung scheitert, weil er sich bei einem Zwischenstopp im Ausland weigerte, die Anschlussmaschine zu benutzen, bestimmt sich nach § 4 Abs. 1 FreihEntzG auch dann, wenn für den Vollzug der vorausgegangenen Abschiebungshaft ein anderes AG zuständig war.

2. Zur "relevanten Zäsur" und zum Fortbestand einer Verfahrensvollmacht für das Abschiebungshaftverfahren bei Haftunterbrechungen.

3. Zur Pflicht des Tatrichters, in Abschiebungshaftsachen den Betroffenen in Anwesenheit seines Verfahrensbevollmächtigten anzuhören.

 

Normenkette

FreihEntzG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 12; AufenthG § 62 Abs. 2, § 106 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Beschluss vom 04.04.2006; Aktenzeichen 62 T 665/06)

AG Erding (Aktenzeichen XIV B 19/06)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Landshut vom 4.4.2006 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Ausländerbehörde betrieb die Abschiebung des Betroffenen, eines afghanischen Staatsangehörigen. Der Betroffene wurde am 27.7.2005 am Flughafen München bei der Ausreisekontrolle für einen Flug nach Kanada festgenommen, als er bei dieser Gelegenheit einen verfälschten deutschen Reisepass vorwies. Für die Bundesrepublik Deutschland besaß der Betroffene keine Aufenthaltserlaubnis. Der von ihm 1998 gestellte Asylantrag wurde im Jahr 1999 bestandskräftig abgelehnt. Ebenfalls ohne Erfolg blieb ein in den Niederlanden im Jahr 2000 gestellter Asylantrag.

Bei seiner polizeilichen Vernehmung am 27.7.2005 gab der Betroffene zunächst falsche Personalien an. Er behauptete u.a., eine Woche zuvor unter einem anderen Namen nach Schweden geflogen zu sein, um von dort weiter nach Kanada zu reisen. Erst auf Vorhalt gab er seinen richtigen Namen preis und räumte ein, sich seit dem Jahr 2000 als Asylbewerber in den Niederlanden aufgehalten zu haben. Infolge Ablaufs seiner dortigen Aufenthaltsgenehmigung habe er sich einen gefälschten deutschen Reisepass beschafft. Am 27.7.2005 habe er die Niederlande verlassen, um am 28.7.2005 von Stockholm über München nach Kanada zu fliegen.

Auf Antrag der zuständigen Ausländerbehörde ordnete das AG E. am 28.7.2005 mit sofortiger Wirksamkeit Abschiebungshaft bis zur Dauer von längstens drei Monaten an. Am 24.10.2005 gab das AG E. das Verfahren an das AG M. ab, in dessen Bezirk die Abschiebungshaft vollzogen wurde.

Das AG M. ordnete am 25.10.2005 erneut Abschiebungshaft mit sofortiger Wirksamkeit für längstens weitere drei Monate im Anschluss an die bestehende Haft an. Rechtsmittel gegen diesen Beschluss blieben erfolglos; mit seiner Entscheidung vom 23.12.2005 (34 Wx 177/05) bestätigte der Senat die Haftanordnung.

Mit für sofort wirksam erklärten Beschluss vom 27.1.2006 ordnete das AG M. die weitere Abschiebungshaft bis zur möglichen Abschiebung, längstens jedoch auf die Dauer von drei Wochen, im Anschluss an die bestehende Abschiebungshaft an. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen blieb gem. Beschluss des LG vom 14.2.2006 erfolglos.

Am 12.1.2006 stellte der Betroffene aus der Haft heraus erneut einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 23.1.2006 ablehnte. Eine am 15.2.2006 vorgesehene Abschiebung ohne Sicherheitsbegleitung auf dem Luftweg scheiterte daran, dass der Betroffene in Doha (Katar) sich weigerte, einen Anschlussflug über Dehli nach Kabul zu nehmen. Stattdessen kehrte er auf dem Luftweg zurück, wurde bei seiner Ankunft in München am 17.2.2006 vorläufig festgenommen und gem. dem für sofort wirksam erklärten Beschluss des AG E. vom 18.2.2006 (Samstag) zur Sicherung der Abschiebung längstens bis zum Ablauf des 16.5.2006 erneut in Abschiebungshaft genommen. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen hat das LG mit Beschluss vom 4.4.2006, zugestellt am 18.4.2006, zurückgewiesen. Gegen die landgerichtliche Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen vom 2.5.2006.

Ursprünglich hätte der Betroffene auf dem Luftweg nunmehr am 21.4.2006 abgeschoben werden sollen. Jedoch verpflichtete das angerufene VG mit Beschluss vom 18.4.2006 die Bundesrepublik Deutschland, ggü. der Ausländerbehörde zu erklären, dass der Betroffene bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seine Klage gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 4.4.2006 nicht nach Afghanistan abgeschoben werden dürfe. Der Betroffene wurde daraufhin nach Bekanntgabe des Beschlusses am 19.4.2006 aus der Abschiebungshaft entlassen. Er beantragt im Rahmen seines Rechtsmittels nunmehr, die Beschlüsse des AG vom 18.2.2006 und des LG vom 4.4.2006 aufzuheben und die Rechtswidrigkeit der auf ihrer Grundlage vollzogenen Abschiebungshaft festzustellen.

II. Dem auch im Übrigen zulässigen Rechtsmittel (§ 106 Abs. 2 S. 1 AufenthG, § 3 S. 2 FreihEntzG, § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 4, § 22 Abs. 1 FGG) steht die Erledigung der Hauptsache noch vor der Beschwerdeeinlegung nicht entgegen. Der Beschw...

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