Leitsatz (amtlich)
Die gesetzliche Beschränkung der Handlungsvollmacht zur Prozessführung (§ 54 Abs. 2 HGB) umfasst auch den Abschluss von Schiedsvereinbarungen.
Normenkette
ZPO § 1032 Abs. 2, § 1062 Abs. 1 Nr. 2; HGB § 54 Abs. 2
Tenor
I. Der Antrag, die Zulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens festzustellen, wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 1.700.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin und die Insolvenzschuldnerin, die zum selben Konzern gehören, schlossen Ende Juli/Anfang August 2006 einen Grundlagenvertrag über ihre geschäftliche Zusammenarbeit (sog. Contract Manufacturing Agreements - CMA). In Vertretung der Insolvenzschuldnerin wurde der Vertrag am 31.7. und 3.8.2006 von zwei Handlungsbevollmächtigten unterzeichnet. Die den Handlungsbevollmächtigten am 29.11.2005 bzw. 11.1.2006 erteilte Vollmacht hat folgenden gleichlautenden Inhalt:
Sehr geehrte(r) ..., wir erteilen Ihnen für Ihre Aufgabe bei B. GmbH & Co. OHG (im Folgenden B.) Handlungsvollmacht.
Als Handlungsbevollmächtigter sind Sie befugt, B. nach Maßgabe folgender Bestimmungen zu vertreten:
I. Hinsichtlich der Geschäfte, die innerhalb Ihres Aufgabenbereiches gewöhnlich anfallen, gemeinsam mit einem Mitglied der Geschäftsführung, einem Prokuristen oder einem anderen Handlungsbevollmächtigten. Ferner sind Sie zur Einstellung und Kündigung von Mitarbeitern berechtigt, allerdings nur zusammen mit einem mit Prokura oder Handlungsvollmacht ausgestatteten Mitarbeiter der zuständigen Personalabteilung.
II. Hinsichtlich der Geschäfte, die über den Umfang der in Ihrem Aufgabenbereich gewöhnlich anfallenden Geschäfte hinausgehen, nur gemeinsam mit Ihrem Vorgesetzten, soweit er hierzu ermächtigt ist, einem Prokuristen oder einem Mitglied der Geschäftsführung.
Als Handlungsbevollmächtigter sind Sie grundsätzlich nicht befugt zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken, zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, zur Aufnahme von Darlehen, zur Abgabe von Patronatserklärungen und zur Prozessführung.
Bei dieser Vollmacht handelt es sich um die Erteilung einer Zeichnungsberechtigung. Zur Abgabe bindender mündlicher Zusagen sind Sie dadurch nicht befugt.
Sie zeichnen, indem Sie unter der Firmenzeile Ihren Namen setzen, unter Voransetzung der Buchst. "i V.".
Der CMA enthält in Abschnitt 27 ("Arbitration") u.a. folgende Regelung:
Streitigkeiten aus oder i.V.m. diesem CMA oder aus oder i.V.m. Verträgen, die dessen Durchführung dienen, eingeschlossen Fragen betreffend die Existenz, Gültigkeit oder Beendigung dieses CMA oder der Verträge, die dessen Durchführung dienen, sollen während und nach der Laufzeit dieses CMA einvernehmlich zwischen den Parteien beigelegt werden ...
Wenn ein Versuch einer Einigung gescheitert ist, soll jede Streitigkeit unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte von einem mit drei Schiedsrichtern besetzten Schiedsgericht nach den am Tag des Antrags auf Durchführung eines Schiedsverfahrens gültigen Schiedsgerichtsregeln der "Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit" endgültig entschieden werden. Soweit die Schiedsgerichtsregeln der "Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit" keine Regelung eines prozessrechtlichen Aspekts beinhalten, sollen ergänzend die Bestimmungen der ZPO gelten. Das Verfahren ist in englischer Sprache zu führen und alle Entscheidungen sind in englischer Sprache zu treffen. Der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens ist München, Deutschland."
Am 29.9.2006 stellte die Insolvenzschuldnerin Insolvenzantrag.
Die Antragstellerin macht aus auf dem CMA beruhenden Warenlieferungsverträgen Ansprüche gegen den Insolvenzverwalter, den hiesigen Antragsgegner, geltend. Mit Schreiben vom 14.2.2007 meldete die Antragstellerin diese Forderungen zur Insolvenztabelle an. Mit Schreiben vom 22.5.2007 nahm die Antragstellerin eine Korrektur der angemeldeten Forderungen auf 64.133.937,02 EUR vor. Am 22.5.2007 teilte das Insolvenzgericht der Antragstellerin mit, dass der Antragsgegner die Forderungen als nachrangig bestritten habe.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass der Umfang der den beiden Vertretern erteilten Handlungsvollmacht ausreichend für den wirksamen Abschluss einer Schiedsvereinbarung sei. Der Abschluss von Schiedsvereinbarungen sei ein für die Insolvenzschuldnerin übliches Geschäft gewesen; diese habe in Verträgen mit Zulieferern standardmäßig eine Schiedsabrede getroffen. Die Vertretungsmacht sei auch nicht durch § 54 Abs. 2 HGB ausgeschlossen, da die Vereinbarung einer Schiedsklausel nicht zur Prozessführung gehöre. Jedenfalls sei aber die Vollmacht zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung konkludent erteilt worden, da die Bevollmächtigten mit der "Erstellung eines geeigneten Regelwerkes für Lieferbeziehungen" beauftragt worden seien und die üblichen Verträge mit Zulieferern innerhalb des Konzerns eine Schiedsklausel vorsähen. Der Geschäftsführung der Insolvenzschuldnerin sei daher bei Auftragserteilung bewusst gewesen, dass eine Schieds...