Leitsatz (amtlich)
1.
Für die Zulässigkeit einer sofortigen Beschwerde im Spruchverfahren ist es nicht erforderlich, dass diese innerhalb der Beschwerdefrist von zwei Wochen auch begründet wird.
2.
Zur Berechnung des Ertragswertes und Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes
3.
Bei der Bemessung der Barabfindung in Spruchverfahren kommt Vorzugsaktien mit Mehrstimmrechten nicht in jedem Fall ein höherer Anteil am Unternehmenswert zu.
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 26.10.2005; Aktenzeichen 1 HKO 6402/01) |
Gründe
I.
Gegenstand des Verfahrens sind der angemessene Ausgleich und die angemessene Abfindung für die außenstehenden Aktionäre aufgrund eines 2001 abgeschlossenen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages.
Die Antragsteller waren Aktionäre der F-AG, die 2002 nach Ausschluss der Minderheitsaktionäre mit der Antragsgegnerin verschmolzen wurde. Das Stammkapital der F-AG von insgesamt 58.510.296 EUR war in 2.250.000 Stammstückaktien (58.500.000 EUR) und 396 Vorzugsstückaktien (10.296 EUR) aufgeteilt, so dass der rechnerische Nennwert jeder Aktie 26 EUR betrug. Auf jede Vorzugsaktie entfielen 3.200 Stimmen sowie eine Dividende von 1,50 EUR. Sämtliche Vorzugsaktien wurden von der T-AG gehalten und nicht an der Börse gehandelt, auf sie entfielen rund 36 % aller Stimmen.
Die F-AG hat mit der Antragsgegnerin am 9.4.2001 einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen, dem die Hauptversammlung der F-AG am 29.5.2001 zugestimmt hat. Die Eintragung im Handelsregister erfolgte am 1.8.2001, die Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 28.8.2001.
Der Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag vom 9.4.2001 sieht eine Abfindung in Höhe von 165 EUR je Stammstückaktie sowie 10.950 EUR je Vorzugsstückaktie vor und einen Ausgleich von 8,80 EUR je Stammaktie und 1,50 EUR je Vorzugsaktie. Der gewichtete durchschnittliche Börsenkurs in den letzten drei Monaten vor der Hauptversammlung betrug 156,46 EUR je Stammstückaktie. Das Landgericht hat auf Antrag der F-AG mit Beschluss vom 16.2.2001 einen Vertragsprüfer bestellt, der die vorgeschlagene Abfindung und den vorgeschlagenen Ausgleich als angemessen bewertet hat.
Die Antragsteller haben beantragt, als angemessen eine höhere Abfindung und einen höheren Ausgleich festzusetzen. Das Landgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2003 den Vertragsprüfer zur Bewertung angehört. Dieser hat außerdem eine schriftliche Stellungnahme vom 11.11.2003 abgegeben, die insbesondere Planung, Finanzergebnis und Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens erörtert, sowie eine ergänzende Stellungnahme vom 19.12.2003.
Mit Beschluss vom 26.10.2005 hat das Landgericht die angemessene Barabfindung für jede Stammstückaktie auf 202,04 EUR festgesetzt, den angemessenen Ausgleich auf 10,01 EUR brutto je Stammstückaktie abzüglich Körperschaftsteuerbelastung und Solidaritätszuschlag. Dabei ging das Landgericht abweichend von der Bewertung durch Unternehmen und Vertragsprüfer von einem Basiszinssatz von 5,5 % (statt 6 %), einem Unternehmerrisikozuschlag von 2 % (statt 2,5 %) und einem Wachstumsabschlag für die Phase II von 1 % (statt 0,5 %) aus und legte unter Berücksichtigung der typisierten Steuer von 35 % einen Kapitalisierungszinssatz für die Phase I von 4,875 % und für die Phase II von 3,875 % zugrunde. Ferner nahm das Landgericht eine Anhebung der für 2006 ff. angenommenen, mit 2005 identischen Umsatzerlöse und des Material- und Personalaufwands um 1 % vor, da die dynamische Entwicklung in der Vergangenheit auch in der Prognosephase zu berücksichtigen sei. Für noch nicht realisierte Ersatzansprüche wegen eines 1995/1996 vorgefallenen Betruges mit einer Schadenssumme von rund 183 Mio. DM stellte das Landgericht einen Sonderwert von 10 Mio. DM werterhöhend ein, zusätzlich zu dem nach Angaben der Antragsgegnerin bei "sonstigen Erträgen" bereits berücksichtigten, jedoch von ihr nicht bezifferten Erwartungswert. Ferner hielt das Landgericht eine unterschiedliche Bewertung von Stamm- und Vorzugsaktien nicht für gerechtfertigt, da ein besonderer Wert der Mehrstimmrechte nicht sicher feststellbar sei. Weiteren Beanstandungen bezüglich der Bewertung folgte das Landgericht hingegen nicht. Insbesondere hielt es eine Aufschlüsselung des Wertpapiersondervermögens, der Beteiligungswerte und der Positionen "übrige Aufwendungen/Erträge" und "Beteiligungs- und Zinsergebnis" sowie die Vorlage eines Grundstücksverzeichnisses nicht für erforderlich, ebenso wenig eine Erläuterung der im Bericht für den 2002 durchgeführten Squeeze-Out erwähnten Bereinigungen. Die Bewertung einer zwar nicht betriebsnotwendigen, aber wegen der nachteiligen steuerlichen Folgen nicht zu veräußernden Beteiligung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren sah das Landgericht als zulässig an, ebenso den Abzug latenter Steuerlasten bei der Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens.
Gegen die Entscheidung des Landgerichts richten sich die sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu 3, 5, 7 und 8,...