Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage der Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses, der für Ansprüche aus Prospekthaftung "im weiteren Sinne" die Anwendbarkeit von § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO verneint.
2. Ergeht auf der Grundlage eines Antrags eine Verweisung an ein anderes als zuständig erachtetes Gericht, weil das Gericht das vom Kläger bezeichnete für nicht zuständig hält, führt dies nicht zwangsläufig zur fehlenden Bindung des anderen Gerichts.
Normenkette
ZPO § 32b Abs. 1, § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281 Abs. 1, § 28 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 3 O 283/15) |
LG München I (Aktenzeichen 35 O 6739/15) |
Tenor
Örtlich zuständig ist das LG Berlin.
Gründe
I. Mit Klageschrift vom 16.4.2015 zum LG München I (Az. 35 O 6739/15) begehrt der im Bezirk des LG Mannheim wohnhafte Kläger von der in Berlin ansässigen Beklagten Schadensersatz wegen einer verlustbringenden Kapitalanlage, nämlich seiner über die Beklagte vermittelten Beteiligung gemäß Erklärung vom 4.5.2005 an einem am 4.3.2005 in das Handelsregister (K 5) eingetragenen Medienfonds (Equity Pictures Medienfonds GmbH & Co. KG IV) mit Verwaltungssitz in Grünwald (LGbezirk München I). Gründungskommanditistin war nach dem Handelsregisterauszug (K 5) eine E. P. AG, die als solche auch im Emissionsprospekt - Stand: 11.3.2005 - (K 7, S. 99) aufgeführt war.
Bei der Beklagten handelt es sich dem Klägervortrag zufolge um die Direktkommanditistin, Treuhänderin und Mittelverwendungskontrolleurin der Fondsgesellschaft. Diese wurde am 2.11.2005 unter ihrer früheren Firma als Kommanditistin im Handelsregister (K 5) eingetragen, soll jedoch bereits im Zeitpunkt des Beitritts des Klägers mit der Geschäftsführung der Fondsgesellschaft über ihren Eintritt als Treuhandkommanditistin einig gewesen und damit nach Meinung des Klägers haftungsrechtlich als solche zu behandeln sein.
Seine Ansprüche stützt der Kläger auf Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten aus der Stellung der Beklagten als Treuhandkommanditistin, ferner auf vorsätzlich sittenwidrige Schädigung wegen tatsächlich nicht stattgefundener Mittelverwendungskontrolle. Die Beratung seines von ihm dazu eingeschalteten Vaters durch den Vermittler R. - beide ansässig im Bezirk des LG Tübingen - habe anhand des damals vorliegenden Emissionsprospekts stattgefunden. Sein Vater habe für ihn stellvertretend die Beteiligung im Büro des Vermittlers gezeichnet. Der Prospekt sei in erheblichem Umfang mangelhaft gewesen (fehlerhaft kalkulierte Rendite, Totalverlustrisiko, steuerliche Auswirkungen; unrichtige Darstellung der Mittelverwendungskontrolle); darüber sei nicht aufgeklärt worden.
Das LG München I hielt sich gemäß den Parteien mitgeteilter schriftlicher Verfügung vom 27.7.2015 für örtlich nicht zuständig. Mitverklagt seien nicht die zu § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO bezeichneten Personen. Eine Zuständigkeit ergebe sich auch nicht aus § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, weil die Beklagte nach dem Klägervortrag nicht Prospektverantwortliche sei. Für eine Zuständigkeit des angegangenen Gerichts nach § 32 ZPO fehle es an schlüssigem Tatsachenvortrag.
Mit Beschluss vom 5.10.2015 hat sich das Gericht für örtlich unzuständig erklärt und "auf den Hilfsantrag des Klägers" den Rechtsstreit an das LG Berlin verwiesen. Begründet hat das LG dies noch damit, dass zwar geltend gemacht sei, die Beklagte habe die Stellung einer aufklärungspflichtigen Gründungsgesellschafterin übernommen; nicht behauptet werde jedoch, sie habe etwas mit dem Management der Gesellschaft zu tun oder beherrsche sie gar, sei es nach außen hin zutage tretend oder als "Hintermann". Ebenso wenig sei vorgetragen, dass die Beklagte eine Garantenstellung eingenommen habe und durch ihre Mitwirkung bei der Prospektgestaltung nach außen hin in Erscheinung getreten sei. Ihre Eigenschaft als Treuhänderin und Mittelverwendungskontrolleurin reiche für eine Prospektverantwortlichkeit nicht aus. Der von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweichenden Auffassung des Kammergerichts (Urteil vom 11.5.2015, 2 U 5/15, juris), dass jeder aufklärungspflichtige Gründungsgesellschafter einer Fonds-KG zugleich Prospektverantwortlicher i.S.v. § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO sei, werde nicht gefolgt. Auch im Hinblick auf § 32 ZPO sei eine Zuständigkeit des LG München I nicht gegeben.
Die Verweisung an das als Sitzgericht örtlich zuständige LG Berlin erfolge auf den Hilfsantrag des Klägers. Eine Verweisung an das LG Mannheim - wie von ihm beantragt - komme nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen für den Verbrauchergerichtsstand nach § 29c Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht schlüssig dargelegt seien. Eine Haustürsituation habe offensichtlich nicht bestanden, nachdem der Kläger eingeräumt habe, dass sein Vater für ihn die Unterschrift am Unternehmenssitz des Beraters - in dessen Büro - geleistet habe.
Das LG Berlin hat mit undatierter, am 22.12.2015 an die Parteien hinausgegebener Entscheidung (Az. 3 O 283/15) sich für örtlich unzuständig erklärt und die Sache dem Oberlandesgericht München zur Zuständigkeitsbestimmung vor...