Leitsatz (amtlich)
Werden die Aktien einer Gesellschaft nach dem von ihr beantragten Widerruf der Zulassung zum amtlichen Markt (jetzt: regulierter Markt) weiterhin im Segment M:access der Börse München gehandelt, ist die Verkehrsfähigkeit gewährleistet und ein Spruchverfahren nicht statthaft.
Normenkette
BörsG § 48; SpruchG § 1
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 30.08.2007; Aktenzeichen 5 HK O 7195/06) |
Nachgehend
Tenor
I. Die sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu 1, 2, 4 und 7 gegen den Beschluss des LG München I vom 30.8.2007 werden zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerinnen haben die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
IV. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 200.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob die Antragsteller als Aktionäre der Antragsgegnerin zu 2, auf deren Antrag die Zulassung ihrer Aktien zum amtlichen Markt an der Bayerischen Börse widerrufen wurde, Anspruch auf eine Barabfindung haben.
Die Antragsteller sind Aktionäre der L. Holding KGa.A. Deren Gesamtkapital beträgt 11.059.200 EUR. Das Grundkapital ist in 3.888.000 Stückaktien aufgeteilt, die seit 1991 an der Bayerischen Börse zum amtlichen Handel zugelassen waren. Die Aktien wurden ferner bis zum 22.7.2005 im Freiverkehr der Frankfurter Börse sowie weiterhin im Freiverkehr der Börse Stuttgart gehandelt. Persönlich haftende Gesellschafter sind J. L. sowie die J. L. GmbH. Mehrheitsaktionärin ist die L. BeteiligungsGmbH, die Antragsgegnerin zu 1, die nach eigenen Angaben 95,21 % der Kommanditaktien hält (3.701.588 von 3.888.000). Die restlichen Kommanditaktien (4,79 %) befinden sich im Streubesitz. Nach § 12 Abs. 4 der Satzung der Antragsgegnerin ist das den Kommanditaktionären nach § 164 HGB zustehende Widerspruchsrecht ausgeschlossen; zugleich wird festgelegt, dass die Vornahme von im Einzelnen aufgeführten Rechtsgeschäften und Handlungen der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf.
In der Hauptversammlung vom 25.2.2005 wurde auf Verlangen der Antragsgegnerin zu 1 als Hauptaktionärin die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre auf diese gegen eine Barabfindung i.H.v. 28,52 EUR je Aktie beschlossen. Dieser Beschluss wurde auf Anfechtungsklage für nichtig erklärt mit der Begründung, die vorliegende Ausgestaltung des Wertpapierdarlehens, mit dem die Mehrheitsaktionärin die Beteiligung von 95 % erst erreicht habe, sei rechtsmissbräuchlich. Gegen die Entscheidung des OLG München vom 23.11.2006 (AG 2007, 173) ist Revision eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.
Auf Antrag der Gesellschaft wurde am 6.4.2006 der Widerruf der Zulassung zur Preisfeststellung im amtlichen Handel der Börse München ausgesprochen; die Veröffentlichung des Widerrufs in der Börsenzeitung erfolgte am 7.4.2006. Seit 1.6.2006 werden die Aktien der Antragsgegnerin zu 2 im Freiverkehr in dem Segment M:access der Börse München gehandelt sowie weiterhin im Freiverkehr der Börse Stuttgart. Ein Hauptversammlungsbeschluss wurde hinsichtlich des Widerrufs der Zulassung zum amtlichen Handel der Börse München nicht gefasst. Es wurde auch kein Angebot zum Kauf der Aktien der Minderheitsaktionäre abgegeben.
Nach Auffassung der Antragsteller ist nach der Beendigung der Zulassung zum amtlichen Markt ein Spruchverfahren zur Festlegung der angemessenen Barabfindung durchzuführen. Der Handel der Aktien im Freiverkehr, auch im Segment M:access, sei mit der Notierung im amtlichen oder geregelten Markt nicht vergleichbar. Die Anträge sind am 19.4.2006 (Antragsteller zu 1), am 12.5.2006 (Antragsteller zu 2), 6.7.2006 (Antragsteller zu 3 bis 6) und 21.7.2006 (Antragstellerin zu 7) bei Gericht eingegangen. Die Antragsteller zu 1, 2 und 7 haben ihre Anträge gegen die Hauptaktionärin gerichtet, die Antragsteller zu 3 bis 6 auch gegen die Gesellschaft.
Die Antragsgegnerinnen haben geltend gemacht, ein Spruchverfahren sei unzulässig, da es bereits an einem Hauptversammlungsbeschluss mit einem Pflichtangebot fehle, das Gegenstand der Überprüfung im Spruchverfahren sein könne. Außerdem stelle der Wechsel vom amtlichen Markt in das Handelssegment M:access kein Delisting im Sinne der Rechtsprechung des BGH dar. Das für M:access geltende Regelwerk verpflichte zur Veröffentlichung eines Emittentenberichts und zur Einhaltung von Publizitätspflichten. Die Verkehrsfähigkeit der Aktien sei nicht eingeschränkt. Zudem seien die für eine Kommanditgesellschaft auf Aktien geltenden Besonderheiten zu berücksichtigen, insbesondere der fehlende Einfluss der Kommanditaktionäre auf die Geschäftsleitung.
Das LG hat nach Einholung einer amtlichen Auskunft der Börse München die Anträge als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwar seien die Regelungen über das Spruchverfahren auf die Fälle des echten Delisting entsprechend anwendbar. Jedoch könnten die für das reguläre Delisting n...