Leitsatz (amtlich)
1. Erkennt der Beklagte nach Ablauf der Klageerwiderungsfrist im schriftlichen Vorverfahren und nach Stellung des Antrags auf Klageabweisung den geltend gemachten Anspruch an, ist § 93 ZPO nur anzuwenden, wenn die Klage zunächst noch nicht schlüssig war.
2. Für die Schlüssigkeit einer Klage auf Schadensersatz für einen Kfz-Unfallschaden ist - jedenfalls wenn die geltend gemachten Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen - nicht erforderlich, dass der Geschädigte einem Verlangen des Haftpflichtversicherers auf Nachbesichtigung des Schadens nachgekommen ist.
Normenkette
ZPO § 93
Verfahrensgang
LG Kempten (Urteil vom 08.10.2010; Aktenzeichen 22 O 1292/09) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen die Kostenentscheidung des LG Kempten im Rahmen des Teilanerkenntnis- und Endurteils vom 8.4.2010 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.
III. Der Beschwerdewert wird auf 4.365 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Anwendung von § 93 ZPO auf die Kostenentscheidung.
Ein Versicherungsnehmer der Beklagten fuhr am 13.5.2009 gegen 21 Uhr auf der Ortsverbindungsstraße zwischen G. und K. auf den Pkw Porsche 911, amtliches Kennzeichen ..., der Klägerin auf und beschädigte diesen stark. Die Klägerin machte außergerichtlich unter Bezug auf ein Gutachten des Kfz-Sachverständigen K. vom 20.5.2009 Reparaturkosten ohne Mehrwertsteuer von 17.303,77 EUR, Wertminderung von 6.000 EUR sowie Sachverständigengutachterkosten von 1.772,39 EUR geltend. Da eine Zahlung nicht erfolgte, erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 29.6.2009 Klage über diesen Betrag zzgl. Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten über 1.005,40 EUR. Der am 30.6.2009 beim LG Kempten eingegangene Schriftsatz wurde mit Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens am 8.7.2009 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 22.7.2009 zeigte die Beklagte die Verteilungsbereitschaft an und beantragte mit Schriftsatz vom 27.7.2009, die Klage abzuweisen (vgl. Bl. 9/13 d.A.). Der von der Klägerseite verfolgte Schadensersatzanspruch stehe ihr nicht zu, da die von ihr angeführten Schäden entweder gar nicht oder zumindest nicht in dem Umfang auf dem Unfallereignis beruhten bzw. die Reparaturkosten über den Aufwand hinausgingen, der zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes erforderlich sei; auch der geltend gemachte merkantile Minderwert sei deutlich übersetzt.
Mit Beweisbeschluss vom 8.10.2009 ordnete das LG gem. § 358a die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zur Kausalität der geltend gemachten Schäden, zur Höhe der Reparaturkosten und zum merkantilen Minderwert an, das der Sachverständige Pilz am 20.1.2010 erstattete und das den Parteien gemäß Verfügung des LG vom 1.2.2010 unter Gewährung einer Stellungnahmefrist bis 1.3.2010 zur Verfügung gestellt wurde. Mit Schriftsatz vom 1.3.2010, per Fax eingegangen am selben Tag, erklärte die Beklagte, dass sie den von der Klägerseite verfolgten Anspruch i.H.v. 22.651,86 EUR auf die Hauptforderung nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.6.2009 sowie weiteren 950 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit der Rechtshängigkeit in Bezug auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten anerkenne und beantragte insoweit, der Klägerseite die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, da die Beklagte keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben habe (Bl. 44/46 d.A.). Mit Schriftsatz vom 11.3.2010 beantragte die Klägerin Anerkenntnisurteil und erklärte hinsichtlich des überschießenden Betrages die Klagerücknahme. Sie beantragte, hinsichtlich des Anerkenntnisses der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, da es sich um kein sofortiges Anerkenntnis handele (Bl. 48/49). Nachdem beide Parteien sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt hatten und dieses vom LG mit Beschluss vom 23.3.2010 angeordnet worden war, verkündete das LG am 8.4.2010 ein Teil-Anerkenntnis- und Endurteil, das dem von der Beklagten anerkannten Antrag entspricht. Die Kosten des Rechtsstreits legte das LG zu 10 % der Klägerin und zu 90 % der Beklagten auf. Ein sofortiges Anerkenntnis liege nicht vor, weil die Beklagten nicht bis zum Ablauf der Klageerwiderungsfrist die Forderung anerkannt hätten (vgl. Bl. 54/56 d.A.).
Gegen die Kostenentscheidung in dem ihr am 12.4.2010 zugestellten Urteil wendet sich die Beklagte mit der sofortigen Beschwerde vom 19.4.2010. Sie beantragt, die Kostenentscheidung dahingehend abzuändern, dass der Klägerseite die Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden. Der Anwendungsbereich des § 93 ZPO beschränke sich nicht auf ein sofortiges Anerkenntnis in der Klageerwiderung. Wenn es zunächst an einer schlüssigen Klage fehle, könne die Beklagtenseite nach Behebung dieses Mangels im Prozess den Anspruch sofort anerkennen, was zur Folge habe, dass dem Kläger sodann die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen seien (OLG Jena vom 13.10.2005 - 4 W 565/05)...