Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerrufsrecht, Widerruf, Berufung, Vertragsschluss, Leasingvertrag, Marke, Fahrzeug, Verbraucher, Haftpflichtversicherung, Rechtsanwaltskosten, Vorabentscheidung, Restwert, Unternehmer, Sonderzahlung, Aussetzung des Verfahrens, juristische Person, Absendung des Widerrufs
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 22 O 2667/21) |
Tenor
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden nach Artikel 267 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union folgende Fragen zur Auslegung der RL 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der RL 93/13/EWG des Rates und der RL 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der RL 85/577/EWG des Rates und der RL 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates - ABl. L 304 vom 22. November 2011, S. 64-88 - (RL 2011/83/EU) sowie der RL 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der RL 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG - ABl. L 271 vom 9. Oktober 2002, S. 16-24 - (RL 2002/65/EG) vorgelegt:
1. Liegt ein Fernabsatzvertrag im Sinne von Artikel 2 Buchstabe a) der RL 2002/65/EG und Artikel 2 Nummer 7 der RL 2011/83/EU auch dann vor, wenn bei den Vertragsverhandlungen persönlicher Kontakt nur mit einem Kreditvermittler bestand, der für den Unternehmer und in dessen Auftrag Geschäfte mit Verbrauchern anbahnt, aber selbst keine Vertretungsmacht zum Abschluss der betreffenden Verträge hat ?
2. Liegt ein außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag im Sinne von Artikel 2 Nummer 8 und 9 der RL 2011/83/EU vor, wenn die Vertragsverhandlungen in den Geschäftsräumen eines Kreditvermittlers stattfinden, der für den Unternehmer und in dessen Auftrag Geschäfte mit Verbrauchern anbahnt, aber selbst keine Vertretungsmacht zum Abschluss der betreffenden Verträge hat ?
3. Stellen Kraftfahrzeug-Leasingverträge mit einem Verbraucher mit Kilometerabrechnung Verträge über Finanzdienstleistungen im Sinne von Artikel 2 Buchstabe b) der RL 2002/65/EG, die von Artikel 2 Nummer 12 der RL 2011/83/EU übernommen wurde, dar ?
Gründe
I. Die Parteien streiten nach einem Widerruf der Vertragserklärung durch die Klägerin um die Rückabwicklung eines Leasingvertrags über ein Kraftfahrzeug mit Kilometerabrechnung.
1. Die Klägerin schloss am 08.06.2017 als Verbraucherin mit der Beklagten als Leasinggeberin einen schriftlichen Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung über einen Neuwagen der Marke ... Typ ... (Anlage K 1). Die Laufzeit betrug 36 Monate; während der vereinbarten Vertragslaufzeit war eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen. Die Klägerin sollte nach dem Vertrag eine anfängliche Sonderzahlung von 5.000,- EUR und 36 monatliche Leasingraten zu je 389,56 EUR leisten. Nach den dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen stehen dem Leasingnehmer gegen den Leasinggeber Ansprüche wegen Sachmängeln des Fahrzeugs nicht zu. An deren Stelle tritt der Leasinggeber sämtliche Ansprüche wegen Sachmängeln gegen den Lieferanten des Leasingfahrzeugs an den Leasingnehmer ab. Weiter ist der Leasingnehmer verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung und eine Fahrzeugvollversicherung abzuschließen. Die Beklagte räumte der Klägerin eine Kaufoption zum regulären Vertragsende zu einem kalkulierten Restwert von 24.989,49 EUR ein. Eine Abnahmeverpflichtung der Klägerin bestand nicht. Der Leasingvertrag enthält eine Regelung über die Laufleistung des Fahrzeugs während der Leasingzeit (15.000 Kilometer im Jahr) und die Abrechnung von eventuellen Mehr- und Minderkilometern, wobei hierfür feste Beträge vereinbart wurden. Bei Vertragsende sollte das Fahrzeug einen dem Alter und der vertragsgemäßen Laufleistung entsprechenden Erhaltungszustand aufweisen; andernfalls sollte der Leasingnehmer die übermäßige Abnutzung ausgleichen. Der Leasingvertrag enthält auf Seite 9 der Vertragsunterlagen eine Widerrufsinformation, mit der über ein verbraucherkreditrechtliches Widerrufsrecht belehrt wird.
2. Die Klägerin stellte ihren Leasingantrag in dem Autohaus ... GmbH & Co. KG in K. und unterschrieb ihn auch dort. Das Autohaus übermittelte den schriftlichen Antrag an die Beklagte, die den Antrag prüfte und annahm. Das Autohaus war dabei im Rahmen einer festen Geschäftsverbindung als Kreditvermittler für die Beklagte tätig, hatte aber keine Befugnis zum Vertragsschluss. Eine Mitarbeiterin des Autohauses nahm die Leasingkalkulation vor und besprach diese mit der Klägerin mit Blick auf die Laufzeit, die Leasingsonderzahlung und die Ratenhöhe. Die Mitarbeiterin war befugt und in der Lage, Auskünfte zum Vertrag zu erteilen und Fragen zur Finanzierung des Fahrzeugs zu beantworten.
3. Das Fahrzeug wurde am 24.08.2017 an die Klägerin übergeben. Bis zu der Beendigung des Leasingvertrags und der Rückgabe des Fahrzeugs ...