Leitsatz (amtlich)
Wer als Rechtsanwalt in getrennten Unterhaltsverfahren eines Elternteils gegen zwei seiner Kinder beide Beklagte vertritt, dient beiden Parteien in derselben Rechtssache und handelt auch pflichtwidrig, weil der Umfang des jeweiligen Prozesserfolgs erst zum Urteilszeitpunkt feststeht.
Normenkette
StGB § 356
Verfahrensgang
LG Kempten (Entscheidung vom 20.10.2009) |
Tenor
I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 20. Oktober 2009 wird als unbegründet verworfen.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Amtsgericht Lindau hat den Angeklagten wegen Parteiverrats schuldig gesprochen und eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je € 100 verhängt. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht die Höhe des Tagessatzes auf € 50 herabgesetzt und die Berufung im Übrigen verworfen.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Er vertritt die Rechtsauffassung, er habe den Straftatbestand des § 356 Abs. 1 StGB nicht erfüllt, weil dieser einen Interessengegensatz der Parteien voraussetze. Die Parteien aber hätten gleichgerichtete Interessen verfolgt, weil sie beide eine Klageabweisung erstrebt hätten. Sie hätten jeweils die gegen sie geltend gemachten Unterhaltsansprüche abwehren wollen und sich hierzu auf ihre fehlende Leistungsfähigkeit sowie die fehlende Bedürftigkeit der Unterhaltsberechtigten berufen.
Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
I. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Der Bezirk Schwaben machte als Sozialhilfeträger auf ihn übergegangene Unterhaltsansprüche gegen die Brüder A. und G. M. geltend, deren Mutter in einem Pflegeheim untergebracht war. Der Angeklagte ist seit über 30 Jahren als Rechtsanwalt tätig und bearbeitete vielfach auch familienrechtliche Mandate. Er übernahm am 3. November 2004 die Vertretung der Interessen des G. M. und am 26. November 2004 die Vertretung der Interessen des A. M., jeweils zur Abwehr der Unterhaltsansprüche.
Zunächst wurde er in dieser Sache für seine beiden Mandanten außergerichtlich tätig. Nach dem Austausch vorgerichtlicher Korrespondenz machte der Bezirk Schwaben mit Klageschrift, jeweils vom 29. Januar 2007, vor dem Amtsgericht Lindau für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2006 rückständigen Unterhalt, gegen A. M. in Höhe von € 1952,94 und gegen G. M. in Höhe von € 1787,56, geltend.
Mit Schriftsatz vom 20. Februar 2007 zeigte der Angeklagte gegenüber dem Amtsgericht Lindau die anwaltliche Vertretung des A. M. im Verfahren 1 F 38/07 an und beantragte Klageabweisung. Mit Schriftsatz und Verteidigungsanzeige vom 21. Februar 2007 beantragte der Angeklagte, die bei dem Amtsgericht Lindau gegen G. M. erhobene Klage im Verfahren 1 F 37/07 abzuweisen. Die Klageabweisungsanträge begründete er mit jeweils unterschiedlichen Schriftsätzen, wobei er im Wesentlichen inhaltsgleich argumentierte. Er führte aus, der jeweilige Beklagte sei nicht leistungsfähig und die Mutter verfüge über Vermögen. Diese Ausführungen unterlegte er mit dem entsprechenden Sachvortrag nebst Beweisangeboten. Im Verfahren 1 F 38/07 trug er zusätzlich vor, die Mutter könne in einem anderen Heim mit einem günstigeren Pflegesatz untergebracht werden, so dass dann deren Rente nebst Pflegesatz zur Kostendeckung genügen würde. Der Sachvortrag wurde von der Klägerin überwiegend bestritten.
Dem Angeklagten war, spätestens mit Abfassung der Klageerwiderungen, bewusst geworden, dass im Fall der Leistungsunfähigkeit oder einer nicht zur Bezahlung des gesamten geforderten Unterhalts ausreichenden Leistungsfähigkeit eines Mandanten, der andere - bis an die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit - mehr als den Anteil nach Köpfen der Unterhaltsschuldner bezahlen muss und sich der für einen Mandanten günstig auswirkende Sachvortrag für den anderen ungünstige Folgen haben kann.
Der Angeklagte vertrat beide Mandanten bis zur Niederlegung der Mandate am 6. Oktober 2008.
Das Landgericht hat den objektiven und subjektiven Tatbestand des Parteiverrats bejaht.
II. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Verfahrensrügen:
a) Soweit der Angeklagte im Schriftsatz vom 22. Dezember 2008 die unterlassene Einvernahme der Zeugen G. und A. M. rügt, ist die Aufklärungsrüge unzulässig.
Nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ist eine Verfahrensrüge nur dann in zulässiger Weise erhoben, wenn "die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben" sind. Diese Angaben haben mit Bestimmtheit und so genau und vollständig zu geschehen, dass das Revisionsgericht allein auf Grund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen zutreffen. Eine Aufklärungsrüge ist nur dann begründet, wenn der Tatrichter es unterlassen hat, eine bestimmte Beweistatsache unter Benutzung eines bestimmten Beweismittel...