Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 148 ZPO (Aussetzung des Verfahrens)
Leitsatz (amtlich)
1. Die Frage, ob der besondere Vertreter durch die Hauptversammlung wirksam bestellt wurde und ob er wirksam abberufen wurde, stellt kein vorgreifliches Rechtsverhältnis für die Zulässigkeit der von Aktionären als gesetzliche Prozessstandschafter im Weg der actio pro societate erhoben Klagen dar.
2. Selbst wenn die Bestellung des besonders Vertreters rechtskräftig für nichtig erklärt würde, führt dies nicht zur Unzulässigkeit der von diesem erhobenen Klage oder zur automatischen Beendigung des Rechtsstreits, da die Lehre von der fehlerhaften Organstellung auch auf den besonderen Vertreter Anwendung findet und Rechtshandlungen des fehlerhaft bestellten Organs die Gesellschaft unabhängig davon, ob die Bestellung nichtig oder anfechtbar war, berechtigen und verpflichten.
3. Auch die Frage der Wirksamkeit der Abberufung des besonderen Vertreters ist nicht vorgreiflich für die Zulässigkeit der Aktionärsklagen, da bei rechtskräftiger Bestätigung der Abberufung die originären Organe in den Rechtsstreit eintreten.
Normenkette
AktG § 147 Abs. 2, § 148 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 21.06.2010; Aktenzeichen 5 HKO 11610/07) |
Tenor
I. Auf die sofortigen Beschwerden der Beklagten wird der Aussetzungsbeschluss des LG München I vom 21.6.2010, Az: 5 HK O 11610/07, aufgehoben.
II. Der Wert der Beschwerde wird auf 30 Mio. Euro festgesetzt.
Gründe
I.1. Die Kläger waren bis zu dem im September 2008 wirksam gewordenen Squeeze-out Aktionäre der nunmehr als U. C. firmierenden H. Bank AG (im Folgenden: H. Bank). Die Kläger zu 1) bis 8) des hiesigen Verfahrens haben mit Schriftsatz vom 22.6.2007 (vgl. Bl. 1/96 d.A.) Klage gegen die Beklagte zu 1) die damalige Haupt- und nunmehrigen Alleinaktionärin, die U. C. S. p. A., gegen den Beklagten zu 2) als Chief Executive Officer der Beklagten zu 1) und damaligen Aufsichtratsvorsitzenden der H. Bank, Alessandro P., und gegen den Beklagten zu 3) als damaligen Sprecher des Vorstands der H. Bank, Dr. Wolfgang S., auf Zahlung eines Betrages von 17,35 Mrd. Euro an die H. Bank erhoben. Der Kläger zu 9) hat mit Schriftsatz vom 30.7.2008 als damaliger Aktionär der H. Bank gegen die selben Beklagten Teilklage i.H.v 173,5 Mio. Euro erhoben. Das LG München I hat mit Beschluss vom 29.7.2009, Az: 5 HK O 13106/08, dieses Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zum Verfahren vor dem LG München I, Az: 5 HK O 11610/07 hinzuverbunden.
Die Kläger begründen ihre Klagen im Wesentlichen damit, dass eine korrekte Unternehmensbewertung der im Jahr 2006 von der H. Bank an die Hauptaktionärin, die Beklagte zu 1), veräußerten Anteile an osteuropäischen Banken, wie z.B. die Bank A. C. AG, einen höheren Kaufpreis ergeben hätte, so dass der H. Bank entsprechende Zahlungsansprüche aus §§ 317, 318 AktG wegen der Nachteiligkeit des Geschäfts bzw. § 93 AktG zustünden. Die Kläger stützen ihre Klageforderung auch auf eine behauptete Unterwertveräußerung der Aktivest Gesellschaften. Ein Anspruch ergebe sich zudem aus der Nachteilsausgleichsvereinbarung vom 21.12.2007 zwischen der H. Bank und der hiesigen Beklagten zu 1) (zum Wortlaut der Vereinbarung vgl. Beschluss des LG vom 18.6.2010 S. 6 ff.).
Diese Ansprüche der H. Bank machen die Kläger mit den vorliegenden Klagen geltend.
Nach Erhebung der Klagen durch die Kläger zu 1) bis 8) fand eine weitere Hauptversammlung der H. Bank am 26./27.6.2007 statt, in der unter TOP 10 die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft aus der Geschäftsführung insbesondere gegen die gegenwärtigen und ehemaligen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats der H. Bank sowie gegen die Großaktionärin U. C. S. p. A. sowie mit dieser verbundene Unternehmen, jeweils einschließlich der gesetzlichen Vertreter insbesondere folgender Personen: Dieter R., Dr. Wolfgang S., Alessandro P. wegen der Veräußerung der Anteile an der Bank A. C. AG und des mit der U. C. abgeschlossenen Business Combination Agreements vom 12.6.2005 beschlossen wurde. Im Beschluss wurde für die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche ein besonderer Vertreter gem. § 147 Abs. 2 AktG, Rechtsanwalt Dr. Thomas H., bestellt (zum Wortlaut vgl. Beschluss des LG vom 18.6.2010 S. 8 f.). Die hiergegen erhobene Klage der Hauptaktionärin U. C. S. p. A. wies das LG durch Endurteil vom 4.10.2007 (Az: 5 HK O 12615/07) ab. Die Berufung hatte vor dem Senat nur teilweise Erfolg, nämlich insoweit als der besondere Vertreter ermächtigt wurde Schadensersatzansprüche auch gegen verbundene Unternehmen und bezüglich des Business Combination Agreements geltend zum machen. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist beim BGH anhängig und wird dort unter Aktenzeichen II ZR 225/08 geführt.
Am 20.2.2008 erhob die H. Bank, vertreten durch den besonderen Vertreter Dr. H., im Verfahren vor dem LG München I, Az: 5 HK O 2836/08, Klage u.a. gegen die hiesigen Beklagten als Gesamtschuldner auf Herausgabe von 113.989.900 auf den Inhaber lautend...