Leitsatz (amtlich)
Die Verjährung eines zur Tabelle angemeldeten Anspruchs ist auch dann gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB für die gesamte Dauer des Insolvenzverfahrens - und nicht nur bis zum Prüfungstermin bzw. bis zur Feststellung zur Tabelle - gehemmt, wenn der Anmeldung nicht widersprochen wird.
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 22 O 13512/19) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 10.07.2020, Az. 22 O 13512/19, berichtigt durch Beschluss vom 22.07.2020, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 25. Januar 2021.
Gründe
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Weder weist der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung auf noch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
Die Parteien streiten um die Inanspruchnahme der Beklagten als Rechtsnachfolgerin eines Kommanditisten in Höhe von 265.000 EUR durch den Insolvenzverwalter der Kommanditgesellschaft aus § 172 Abs. 4 iVm § 171 Abs. 2 HGB. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Kommanditgesellschaft in dieser Höhe Ausschüttungen an den Kommanditisten vorgenommen hat, während sein Kapitalanteil durch Verluste unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert war. Ebenso ist unstreitig, dass sämtliche ausstehenden Kommanditeinlagen zur Befriedigung von zur Tabelle angemeldeten und nicht bestrittenen Insolvenzforderungen (in Höhe von ca. 54,8 Mio. EUR) benötigt werden. Die Beklagte verteidigt sich folgerichtig ausschließlich mit dem Einwand der Verjährung nach § 159 HGB und der Verwirkung. Das Landgericht, auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat der Klage stattgegeben.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte das Ziel der Klageabweisung weiter. Im Kern macht sie - in tatsächlicher Hinsicht zutreffend - geltend, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 7. Mai 2014 in das Handelsregister der Insolvenzschuldnerin eingetragen worden sei. Die Anmeldung der Forderungen erfolgte bis zum 7. Juli 2014. Die Beklagte leitet daraus ab, dass die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 159 HGB jedenfalls ab diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen habe. Der Insolvenzverwalter könne sich insoweit nicht darauf berufen, dass er die von ihm selbst in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter anderer Gesellschaften angemeldeten Forderungen in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der Insolvenzschuldnerin des hiesigen Verfahrens zunächst vorsorglich bestritten habe (die Feststellung zur Tabelle erfolgte erst nach Bestellung eines Sonder-Insolvenzverwalters 2017). Bei Klageeinreichung am 30. September 2019 sei daher bereits Verjährung nach § 159 HGB eingetreten; jedenfalls seien die Ansprüche vorliegend verwirkt.
Mit diesen Angriffen wird die Berufung voraussichtlich keinen Erfolg haben. Die Annahme des Landgerichts, dass Verjährung - und dementsprechend auch Verwirkung - nicht eingetreten sei, ist frei von Rechtsfehlern (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO).
1. Im Ausgangspunkt trifft zu, dass Ansprüche gegen Gesellschafter aus Verbindlichkeiten der Gesellschaft in fünf Jahren nach der Auflösung der Gesellschaft verjähren (§ 159 Abs. 1 HGB). Diese Vorschrift findet über § 161 Abs. 2 HGB auf Kommanditgesellschaften Anwendung und damit auch auf eine - während des laufenden Insolvenzverfahrens dem Insolvenzverwalter vorbehaltene (§ 171 Abs. 2 HGB) - Inanspruchnahme der Kommanditisten aus § 172 Abs. 4 HGB wegen Rückzahlung der Einlage (Hillmann in Ebenroth/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 159 Rn. 7; Klöhn in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2019 Rn. 4; Schmidt in MüKo HGB, 4. Aufl., § 159 Rn. 13, 20). Die Gesellschaft wurde vorliegend durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst (§ 131 Abs. 1 Nr. 3, § 161 Abs. 2 HGB). Maßgeblich für den Anlauf der Verjährung ist nach § 159 Abs. 2 HGB die Eintragung der Auflösung in das Handelsregister.
2. Der Senat folgt allerdings dem Landgericht nicht darin, dass eine Berufung auf die Verjährung schon deshalb ausscheide, weil die unbestrittene Feststellung zur Tabelle die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils habe. Zwar trifft zu, dass nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 20. Februar 2018 - II ZR 272/16) die in § 178 Abs. 3 InsO angeordnete Rechtskraftwirkung mittelbar über § 201 Abs. 2 InsO auch gegenüber den Kommanditisten wirkt.
Für die Verjährung folgt daraus aber nur, dass die Verjährungsfrist für die festgestellte Forderung gegenüber der Gesellschaft 30 Jahre ab Feststellung beträgt (§ 197 Abs. 1 Nr. 3, § 201 BGB). Die eigenständige 5-jährige Verjährung des Gesellschafters aus § 159 Abs. 1 HGB bleibt hiervon unberührt. Aus § 159 Abs. 4 HGB ergibt sich nichts anderes (LAG München, NJW 1978, 1877, 1878 mwN zur Rspr des RG; Hillmann in Ebenroth(Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 159 Rn. 10; Schmidt in MüKo HGB, 4. Aufl., § 159 Rn. 25; Boe...