Verfahrensgang

AG München (Beschluss vom 15.10.2014; Aktenzeichen 517 F 8888/14)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 10.02.2016; Aktenzeichen XII ZB 38/15)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin hin wird der Beschluss des AG München vom 15.10.2014 aufgehoben.

2. Der Beschluss des Bezirksgerichts Lublin/Polen vom 14.7.2014, mit dem der Antragsgegner zur Herausgabe des Kindes R. M. D. am 10.09.2012, an die Antragstellerin verpflichtet wurde, ist mit der Vollstreckungsklausel zu versehen.

3. Die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses wird angeordnet.

4. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

5. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin C.-G. bewilligt;

 

Gründe

I. Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer Beschwerde dagegen, dass das AG München mit Beschluss vom 15.10.2014 ihren Antrag auf Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung des Beschlusses des Bezirksgerichts Lublin/Polen, Az. III C 1158/14, mit dem der Antragsgegner in einem Sicherungsverfahren zur Herausgabe des gemeinsamen Kindes R. M. geb. 10.9.2012 an die Antragstellerin verpflichtet wurde, abgewiesen hat.

Die Beteiligten sind die miteinander verheirateten, aber getrennt lebenden Eltern des gemeinsamen Kindes R. M. das am 10.9.2012 in Augsburg geboren wurde. Die Beteiligten sind polnische Staatsangehörige, die zunächst gemeinsam in Augsburg lebten. In Polen ist ein Scheidungsverfahren anhängig. Zusätzlich wurde dort ein Sorgerechtsverfahren eingeleitet.

Die Antragstellerin verließ am 30.5.2013 Deutschland und fuhr mit dem Kind nach Polen, um dort zu verbleiben. Der Antragsgegner war mit einem dauernden Aufenthalt des Kindes in Polen nichteinverstanden und beantragte die Rückführung des Kindes nach Deutschland auf der Grundlage des HKÜ. Die Antragstellerin kehrte mit dem Kind Anfang September 2013 zurück nach Deutschland, kehrte aber am 30.9.2013 erneut mit dem Kind gegen den Willen des Antragsgegners nach Polen zurück. Der Antragsgegner leitete erneut ein Rückführungsverfahren nach dem HKÜ in Polen ein. Vor einer Entscheidung hierüber verbrachte er das Kind am 13.7.2014 eigenmächtig gegen den Willen der Antragstellerin zurück nach Deutschland. Der vom Antragsgegner gestellte Rückführungsantrag wurde durch rechtskräftigen Beschluss des zuständigen polnischen Gerichts vom 18.8.2014 abgewiesen, weil das Kind wieder in Deutschland sei.

Auf Antrag der Antragstellerin erließ das Bezirksgericht Lublin am 14.7.2014 eine Sicherungsverfügung und ordnete an, dass der Aufenthalt des Kindes für die Dauer des Verfahrens bei der Antragstellerin liegt und der Antragsgegner verpflichtet ist, das Kind an die Antragstellerin herauszugeben. In dem Beschluss hat das Gericht ausgeführt, dass nach den Angaben der Antragstellerin der Antragsgegner das Kind entführt habe; das Kind sei seit seiner Geburt nie von seiner Mutter getrennt und habe seit dem 1.10.2013 zusammen mit der Mutter seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Polen. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass, da für den 21.7.2014 eine psychologische Untersuchung angeordnet worden sei, habe sich der Antragsgegner vor dieser offensichtlich gefürchtet und habe deshalb das Kind entführt. Nach polnischem Recht könne in dringenden Fällen eine Sicherungsverfügung erlassen werden. Weil die Wegnahme des Kindes eine Bedrohung des Kindeswohls darstelle und sich negativ auf seine emotionale Entwicklung auswirke, sei der Antragsgegner verpflichtet, das Kind herauszugeben. Der Antragsgegner ist der Anordnung des polnischen Gerichts nicht nachgekommen.

Die Antragstellerin hat am 28.7.2014 beim AG Augsburg die Vollstreckung des Beschlusses vom 14.7.2014 beantragt. Zugleich hat sie eine Bescheinigung nach Art. 421 EuEheVO gem. Anhang IV vorgelegt, aus der sich ergibt, dass der Antragsgegner keine Gelegenheit hatte, angehört zu werden, da in der Frage 12 ein Strich eingetragen ist. Das Verfahren wurde zuständigkeitshalber an das AG München abgegeben.

Mit Beschluss vom 15.10.2014 hat das AG München die Anträge der Antragstellerin abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine unmittelbare Vollstreckung des polnischen Beschlusses nicht möglich sei; eine Rückgabe des Kindes nach Art. 42 EuEheVO komme nur in Betracht, wenn es sich um eine Rückgabeentscheidung nach Art. 40 I Buchst. b i.V.m. Art. 11 VIII EuEheVO handele. Eine solche Entscheidung habe das Gericht nicht erlassen, vielmehr liege eine Sicherungsverfügung vor, mit deren Hilfe offensichtlich ein nicht geldwerter Anspruch gesichert werden solle. Auch könne keine Vollstreckbarerklärung erlassen werden; es sei überhaupt schon zweifelhaft, ob eine Entscheidung über die elterliche Verantwortung vorliege, da nur bestimmt wurde, dass das Kind für die Dauer des Verfahrens, wobei zweifelhaft sei, welches dies sei, seinen Aufenthalt bei der Mutter habe und zu diesem Zweck an die Mutter herauszugeben sei. Jedenfalls seien die Formalien für die Vollstreckbarerklärung nicht einge...

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