Leitsatz (amtlich)
1. Zur Grundbuchberichtigung im Erbfall auf der Grundlage eines späteren öffentlichen Testaments des überlebenden Ehegatten bei Konkurrenz mit einem früheren eigenhändigen Ehegattentestament.
2. Kann eine Wechselbezüglichkeit im Verhältnis der Erbeinsetzungen, die beide Ehegatten im früheren Testament zugunsten der beiden gemeinsamen Kinder getroffen haben, nicht ausgeschlossen werden, kommt eine Grundbuchberichtigung auf der Grundlage des späteren öffentlichen Testaments, das eines der Kinder enterbt, nicht in Betracht.
Normenkette
BGB §§ 2267, 2270; GBO §§ 22, 35 Abs. 1
Verfahrensgang
AG München - Grundbuchamt (Beschluss vom 29.09.2015) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des AG München - Grundbuchamt - vom 29.9.2015 wird zurückgewiesen.
2. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Im Grundbuch ist Lina Irene Anna P. als Eigentümerin zu 1/16 eines Grundstücks eingetragen. Sie war verheiratet mit Dr. Siegfried Friedrich Karl P., der am 17.4.1988 verstorben ist. Im eigenhändigen gemeinschaftlichen Testament der Eheleute P. vom 15.9.1987 setzten sich diese gegenseitig zum alleinigen ausschließlichen Erben ein. Dort heißt es weiter:
1.)... Der überlebende Teil wird in keiner Weise beschränkt oder beschwert. Er kann über das beiderseitige Vermögen in gleicher Weise frei verfügen.
2.) Für den Fall des Todes des überlebenden Teils ... bestimmen wir hiermit als unsere Schlusserben unsere beiden Kinder Dr. Helga Sp. (= die Beteiligte) und Helmuth P. zu gleichen Teilen ...
Frau P. ist am 23.11.1994 verstorben. Sie hatte am 9./21.11.1994 ein notarielles Testament errichtet, in dem sie die Beteiligte, ihre Tochter, als ihre alleinige und ausschließliche Erbin einsetzte (Ziff. II.) und in Ziff. V. verfügte, dass das Testament vom 15.9.1987 insgesamt nicht mehr gelten solle. In Ziff. I. des notariellen Testaments ist zu den Vorstellungen der Erblasserin bei Errichtung des Ehegattentestaments - insbesondere zur Freiheit von Beschränkungen des Überlebenden - festgehalten:
Ich habe diese Formulierung seinerzeit so aufgefasst, dass der überlebende Ehegatte hinsichtlich des geerbten Nachlasses und des eigenen Vermögens sowohl unter Lebenden, als auch von Todes wegen frei verfügen könne. Wir wollten namentlich hinsichtlich der Einsetzung des oder der Schlusserben frei sein, weil wir noch mit der Veränderung der Lebenssituation unserer Kinder rechnen mussten.
Ich bin vom amtierenden Notar darüber belehrt worden, dass die von mir vorgenommene Auslegung der Widerruflichkeit des Ehegattentestamentes vom 15.9.1987 einer gerichtlichen Überprüfung möglicherweise nicht standhalten wird ...
Die letztwilligen Verfügungen wurden am 1.8.1988, 13.12. und 28.12.1994 eröffnet. Ein Erbschein nach Lina Irene Anna P. wurde bisher nicht beantragt.
Mit Schreiben vom 27.6.2015 beantragte die Beteiligte Grundbuchberichtigung durch ihre Eintragung als Eigentümerin zu 1/16. Die Erbfolge ergebe sich aus dem notariellen Testament vom 9.11.1994. Das Grundbuchamt hat nach vorherigem rechtlichen Hinweis gemäß Schreiben vom 23.7.2015 mit Beschluss vom 29.9.2015 den Antrag zurückgewiesen. Die Erbfolge könne nicht zweifelsfrei geklärt werden; dies sei nur im Erbscheinsverfahren möglich.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten. Das Grundbuchamt habe die in der notariellen Urkunde getroffenen Verfügungen von Todes wegen selbständig zu prüfen und auszulegen, auch unter Berücksichtigung von Auslegungsregeln und offenkundiger und allgemein bekannter Tatsachen. Rechtlich schwierige Fragen müsse es selbst beurteilen. Nach dem Ehegattentestament sei die Überlebende befugt gewesen, über das beiderseitige Vermögen in "jeder Weise" frei zu verfügen. Dies spreche dafür, dass auch letztwillig verfügt werden durfte, Frau P. also so habe verfahren können.
Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.
II. Die Beschwerde, welche sich gegen die Ablehnung eines Berichtigungsantrags wegen nachträglicher Grundbuchunrichtigkeit infolge Versterbens der eingetragenen Berechtigten richtet (§ 22 GBO), ist statthaft (§ 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO) und auch im Übrigen zulässig (§ 73 GBO; § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Sie ist jedoch unbegründet.
1. Liegt neben der Eröffnungsniederschrift eine Verfügung von Todes wegen in formgültiger öffentlicher Urkunde vor, reicht dies grundsätzlich für den Nachweis der Erbfolge aus (§ 35 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 GBO; Demharter GBO 29. Aufl. § 35 Rn. 31; Böhringer ZEV 2001, 387; Senat vom 7.3.2016, 34 Wx 32/16, juris). Es steht auch bei schwieriger Rechtslage nicht im Belieben des Grundbuchamts, anstelle der öffentlichen Urkunde einen Erbschein zu verlangen (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 letzter Halbs. GBO; BayObLG Rpfleger 2000, 266; OLG Köln Rpfleger 2000, 157; Demharter § 35 Rn. 42). Vielmehr hat das Grundbuchamt - wie die Beteiligte durch ihren Verfahrensvertreter zutreffend anmerkt - selbständig zu prüfen und auszulegen (vgl. § 133 BGB), hat gesetzliche Auslegungs...