Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung eines Zivilverfahrens bis zur Erledigung des Strafverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

Soweit die Aussetzung eines Verfahrens in das Ermessen des Gerichts gestellt ist, kann die Entscheidung im Beschwerderechtszug nur auf Ermessensfehler kontrolliert werden. Dem Beschwerdegericht ist es damit zwar verwehrt, sein Ermessen an die Stelle des dem Erstgericht eingeräumten Ermessens zu setzen. Der Prüfung des Beschwerdegerichts unterliegt allerdings, ob das Erstgericht die Grenzen des ihm eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens bei der Anordnung der Aussetzung überschritten hat. Es kann die angegriffene Entscheidung auf etwaigen Missbrauch des Ermessens überprüfen, das heißt darauf, ob sich das Erstgericht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen.

 

Normenkette

ZPO § 149

 

Verfahrensgang

LG München I (Entscheidung vom 15.05.2017; Aktenzeichen 35 O 5398/15)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 15.05.2017, Az. 35 O 5398/15, aufgehoben.

 

Gründe

I. Der Beklagte zu 3) wendet sich mit der sofortigen Beschwerde gegen einen Aussetzungsbeschluss des Landgerichts gem. § 149 ZPO.

Der Kläger macht Prospekthaftungs- bzw. Schadensersatzansprüche wegen unerlaubter Handlung im Zusammenhang mit seiner Kommandit- Beteiligung an der ... GmbH & Co KG geltend.

Der Kläger trägt u.a. vor, dass es sich bei der Fondsgesellschaft um ein betrügerisches Schneeballsytem gehandelt habe, dessen Vertrieb durch Täuschung und Betrug gefördert worden sei. Der Beklagte zu 3) sei der "Investment-Chef" des streitgegenständlichen Fonds gewesen.

Die Staatsanwaltschaft ... führt gegen den Beklagten zu 3) sowie ca. weitere 30 Beschuldigte unter dem Aktenzeichen ... ein umfangreiches Ermittlungsverfahren.

Im Übrigen wird auf die Darstellung unter Ziffer I des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Das Landgericht setzte mit Beschluss vom 15.05.2017 die Verhandlung hinsichtlich des Beklagten zu 3) gem. § 149 ZPO aus (Bl. 438/444 d.A.). Seine Entscheidung stützte das Landgericht im Wesentlichen auf die Erwägung, dass der Ausgang des Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens erheblichen Erkenntnisgewinn für das Zivilverfahren bringe. Im Ermittlungsverfahren könne der komplexe Sachverhalt gründlicher geklärt werden. Dass derzeit eine Prognose über die weitere Dauer des Ermittlungsverfahrens nicht möglich sei und der Mitteilung der Staatsanwaltschaft vom 22.03.2017 aktuelle Ermittlungserkenntnisse nicht zu entnehmen seien, stehe einer Aussetzung "nicht per se entgegen".

Gegen den dem Beklagten zu 3) am 22.05.2017 zugestellten Beschluss legte dieser mit Schriftsatz vom 31.05.2017, eingegangen am 01.06.2017, sofortige Beschwerde ein (Bl. 446/447 d.A.). Mit Verfügung vom 28.06.2017, zugestellt am 10.07.2017, setzte das Landgericht dem Beklagten zu 3) eine zweiwöchige Frist zur Begründung der Beschwerde. Die Beschwerde wurde sodann mit Schriftsatz vom 18.07.2017, eingegangen am gleichen Tage, begründet.

Der Beklagte zu 3) stützt seine Beschwerde im Wesentlichen darauf, dass die Aussetzung des Verfahrens ermessensfehlerhaft sei. Weder sprächen prozessökonomische Gründe für die Aussetzung, noch könne das Ziel der Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen mit der Aussetzung erreicht werden. Ein Abschluss des Ermittlungsverfahrens sei nicht binnen Jahresfrist zu erwarten.

Der Beklagte zu 3) beantragt (Bl. 446/447 d.A.), den Aussetzungsbeschluss aufzuheben.

Der Kläger führt in seiner Stellungnahme vom 14.08.2017 aus (Bl. 459/482 d.A.), dass der Aussetzungsbeschluss des Landgerichts frei von Ermessensfehlern sei.

Mit Beschluss vom 20.07.2017 (Bl. 453/456 d.A.) half das Landgericht der Beschwerde nicht ab und verfügte die Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht München zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 15.05.2017.

II. 1. Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 252, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Zur Entscheidung ist gem. § 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter berufen.

2. Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, da die Entscheidung des Landgerichts ermessensfehlerhaft ist.

a) Gemäß § 149 ZPO kann das Gericht, wenn sich im Laufe des Rechtsstreits der Verdacht einer Straftat ergibt, deren Ermittlung auf die Entscheidung von Einfluss ist, die Aussetzung der Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens anordnen. Die Anordnung steht im Ermessen des Gerichts.

b) Soweit die Aussetzung eines Verfahrens in das Ermessen des Gerichts gestellt ist, kann die Entscheidung im Beschwerderechtszug nur auf Ermessensfehler kontrolliert werden. Das Beschwerdegericht hat jedoch uneingeschränkt zu prüfen, ob ein Aussetzungsgrund gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 12. 12. 2005, Az. II ZB 30/04 = NJW-RR 2006, 1289, zitiert nach beck-online). Dem Beschwerdegericht ist es zwar verwehrt, sein Ermessen an die Stelle des dem Erstgericht eingeräumten Ermessens zu setzen. Der Prüfung des Beschwerd...

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