Leitsatz (amtlich)

1. Die Bestellung eines Verfahrenspflegers für einen geschäftsunfähigen Betroffenen im Beschwerdeverfahren ist regelmäßig geboten, wenn die bestehende Betreuung auf einzeln aufgezählte Angelegenheiten erweitert werden soll, die dem Umfang einer Betreuung für alle Angelegenheiten entsprechen.

2. Bestellt das AG nach Eingang einer vom Betroffenen selbst eingelegten Beschwerde gegen eine Betreuungsmaßnahme für diesen einen Verfahrenspfleger "bis zum Zeitpunkt der Aufhebung dieses Beschlusses", liegt hierin keine wirksame Bestellung des Pflegers auch für die Beschwerdeinstanz.

3. In diesem Fall kann eine von dem Verfahrenspfleger ggü. dem AG abgegebene Stellungnahme in ihrer Bedeutung allenfalls einer Beschwerdebegründung gleichgesetzt werden und ersetzt nicht die unterbliebene Beteiligung eines Pflegers am Beschwerdeverfahren.

 

Normenkette

FGG § 67 Abs. 1 S. 2 Nr. 2; FGG § S. 3 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Beschluss vom 16.12.2004; Aktenzeichen 42 T 2477/04)

AG Lindau (Bodensee) (Aktenzeichen XVII 4/01)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere und weitere Beschwerde wird der Beschluss des LG Kempten (Allgäu) vom 16.12.2004 aufgehoben.

II. Die Sache wird zu erneuter Behandlung und Entscheidung an das LG Kempten (Allgäu) zurückverwiesen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Betroffene leidet an einer langjährigen schweren Alkoholabhängigkeit und dadurch verursachter Enzephalopathie mit Wesensänderung. Für ihn ist seit 27.7.2001 ein Betreuer für einen umfassenden Aufgabenkreis bestellt. Das AG erweiterte die Betreuung am 13.1.2003 um einen Einwilligungsvorbehalt im Bereich Vermögenssorge für Willenserklärungen, die einen Wert von 200 EUR übersteigen. Am 14.2.2003 entließ das AG den Betreuer und bestellte eine Rechtsanwältin zur Betreuerin; der Aufgabenkreis umfasste nun Aufenthaltsbestimmung; Gesundheitsfürsorge; Vermögenssorge; Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung des Heim-, Pflegevertrages; Vertretung ggü. Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Wohnungsangelegenheiten. Der Einwilligungsvorbehalt blieb aufrecht erhalten. Mit Beschl. v. 11.10.2004 erweiterte das AG die Betreuung um den Aufgabenkreis Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post sowie Entscheidung über Fernmeldeverkehr, ordnete einen unbeschränkten Einwilligungsvorbehalt im Bereich Vermögenssorge an und verlängerte die Betreuung; die Überprüfung der Betreuung wurde für spätestens 10.10.2009 vorgesehen. Hiergegen wandte sich der Betroffene mit seiner am 19.10.2004 eingegangenen Beschwerde und sofortigen Beschwerde. Am 20.10.2004 bestellte das AG für den Betroffenen einen Verfahrenspfleger, der am 9.11.2004 nach einem Gespräch mit dem Betroffenen eine Stellungnahme abgab. Das AG half der Beschwerde des Betroffenen nicht ab.

Das LG hat, ohne weitere Verfahrenshandlungen vorzunehmen, am 16.12.2004 die Beschwerde und sofortige Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit seiner sofortigen weiteren und weiteren Beschwerde.

II.1. Die Rechtsmittel sind zulässig und führen in der Sache zur Aufhebung der landgerichtlichen Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das LG zur erneuten Behandlung und Entscheidung.

Soweit sich der Betroffene gegen die Anordnung eines unbeschränkten Einwilligungsvorbehaltes wendet, liegt eine sofortige weitere Beschwerde vor, §§ 29 Abs. 2, 27 Abs. 1, 69g Abs. 4 S. 1 Nr. 1 FGG. Die Einlegungsfrist von zwei Wochen ist gewahrt. Soweit er sich gegen die Betreuung richtet, handelt es sich um eine weitere Beschwerde, §§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 FGG, die an keine Frist gebunden ist.

2. Das LG hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Bei dem Betroffenen lägen nach wie vor die Voraussetzungen des § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB vor. Der Gutachter komme zum Ergebnis, dass der Betroffene unter einer alkoholbedingten Enzephalopathie leide und geschäftsunfähig sei. Er könne deshalb seine Angelegenheiten in den angeordneten Aufgabenkreisen nicht mehr selbst wahrnehmen. Den widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen schließe sich die Kammer an. Zutreffend habe das AG im Hinblick auf die sachverständigen Feststellungen auch den Aufgabenkreis des Betreuers bestimmt. Die Anordnung einer Postkontrolle sei angemessen, da der Betroffene auf eine Vielzahl von Werbelockangeboten eingehe. Zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für das Vermögen sei aus dem genannten Umstand auch die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes erforderlich, weil der Betroffene ansonsten eine Vielzahl von Verträgen abschließen und seine finanzielle Leistungsfähigkeit überschreiten würde. Die erneute mündliche Anhörung des Betroffenen sei nicht erforderlich gewesen, da von einer erneuten mündlichen Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten gewesen wären und der Betroffene sich im Beschwerdeverfahren schriftlich geäußert habe; zudem sei für ihn ein Verfahrenspf...

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