Entscheidungsstichwort (Thema)
Besitzrechtsschutz des Mieters gegen Baumaßnahmen in einer WEG
Leitsatz (amtlich)
1. Der besitzrechtliche Schutz des Mieters einer Eigentumswohnung gegen Erhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen anderer Eigentümer oder der Gemeinschaft unterscheidet sich danach, ob die Besitzbeeinträchtigung in einer Einwirkung auf die Mietsache selbst, an der der Mieter einen unmittelbaren und ausschließlichen Besitz hat oder in der Zuführung unwägbarer Stoffe besteht. (Rn. 25 - 26)
2. Gegen körperliche Einwirkungen auf die Mietsache selbst hat der Mieter aus § 862 Abs. 1 BGB einen negatorischen Anspruch, der dem Anspruch des Eigentümers aus den §§ 1004, 903 BGB entspricht. (Rn. 25)
3. Mieter haben keine Ansprüche aus § 862 Abs. 1 BGB auf das Unterlassen von Baumaßnahmen, die zu Lärm, Erschütterungen und ähnlichen mit den Baumaßnahmen verbundenen Einwirkungen in der Wohnung führen, wenn eine vertragliche Duldungspflicht besteht. Der vertraglichen Duldungspflicht steht eine Duldungspflicht des Vermieters aufgrund einer wohnungseigentumsrechtlichen Vereinbarung gleich, denn die Rechte eines Mieters gegenüber anderen Sondereigentümern in Bezug auf den Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums und anderer Sondereigentumseinheiten können nicht weitergehen als die Rechte des vermietenden Sondereigentümers selbst. (Rn. 34 - 39)
4. Gegen Handlungen, die außerhalb der Wohnung oder der Räume, an denen der Mieter ausschließlichen Besitz hat, vorgenommen werden und die nicht zu einer Besitzbeeinträchtigung im genannten Sinn führen, besteht grundsätzlich kein besitzrechtlicher Abwehranspruch.) (Rn. 40 - 41)
Normenkette
BGB § 862 Abs. 1, §§ 903, 1004
Tatbestand
Die Verfügungskläger mieteten mit dem auszugsweise als Ast 2 vorgelegten Mietvertrag zum 01.10.1997 von der damaligen Eigentümerin des Anwesens, der G GmbH, die Wohnung im Vordergebäude im 2. Obergeschoss des Anwesens G.straße in M. Die Wohnung befindet sich im obersten Stockwerk des Anwesens. Die Wohnung verfügt über 2 Lichtkuppeln, über die das fensterlose Bad und der Flur beleuchtet werden.
Ende 2006 erwarb die P AG die Anlage und übertrug das Eigentum in der Folge an ihre Objektgesellschaft P S.a.r.l.
Mit der als Anlage AG 06 vorgelegten notariellen Urkunde vom 22.01.2010 wurde das Anwesen G.straße in M von der damaligen Eigentümerin, der P S.a.r.l. mit Sitz in Luxemburg, nach § 8 WEG aufgeteilt.
§ 9 der Teilungserklärung vom 22.01.2020 lautet u.a.:
"Abänderungsbefugnis
1. Die Eigentümerin behält sich das Recht vor, die nachfolgend beschriebenen Maßnahmen durchzuführen und insoweit die Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung entsprechend zu ändern, zu ergänzen und gegebenenfalls neu zu fassen.: Sie gilt insoweit als bevollmächtigt mit dem Recht Untervoltmacht zu erteilen. Sie ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
2. ...
a) Aufstockung und Ausbau des Dachgeschosses zu Sondereigentumseinheiten und Neubegründung von Wohnungs- und/oder Teileigentum an diesen neu errichteten Sondereigentumseinheiten. Bei den baulichen Maßnahmen zur Aufstockung und Ausbau der Dachfläche darf auch das Gemeinschaftseigentum und die Außengestaltung des Gebäudes (z.B. durch Aufbauten auf den Dächern, Einbau von Wänden, Decken, Fenstern, Dachflächenfenstern, Loggien, Dachgauben, Balkonen oder Dachterrassen. Dacheinschnitten, Legen weiterer Versorgungsleitungen, Anschluss an bestehende Versorgungsleitungen, Durchbruch von Wänden und Decken) verändert werden. Die durch -Aufstockung neu gebildeten Sondereigentumsräume dürfen mit darunter liegenden. Sondereigentumsräumen einschließlich Deckendurchbruch verbunden werden. Die Wohnungseigentümer haben, soweit erforderlich, bei der erstmaligen Erstellung dieser neuen Einheiten die dabei unvermeidlichen Einwirkungen auf ihr Sondereigentum zu dulden und gegebenenfalls den Zutritt zu ihrem Sondereigentum zu gewähren. Dies gilt insbesondere für den Fa!!, dass Ver- und Entsorgungsleitungen fortgeführt werden müssen und/oder an solche angeschlossen werden muss. Soweit die Baugenehmigung für diese Dachgeschossaufstockung- und -ausbau unter Auflagen erteilt wird, wird hiermit der teilenden Eigentümerin Vollmacht erteilt diese Auflagen, auch soweit sie Eingriffe in das Gemeinschaftseigentum darstellen, zu erfüllen. Hiervon kann Untervollmacht erteilt werden.
Die Kosten der Wiederherstellung des früheren Zustandes des dabei betroffenen Sondereigentums und des Gemeinschaftseigentums (Treppenhäuser, Dächer, Außenanlagen etc.) trägt der jeweilige Bauberechtigte. ..."
Die von den Verfügungsklägern angemietete Wohnung bildet nach der Teilungserklärung eine eigene Sondereigentumseinheit. Diese wurde im Jahr 2010 von Frau S erworben. In dem ausschnittsweise als Ast 10 vorgelegten Kaufvertrag der Erwerberin, der insoweit mit dem als Anlage AG 11 vorgelegten Musterkaufvertrag übereinstimmt, heißt es u.a.:
"Gemäß dem Änderungsvorbehalt der in Bezug genommenen Teilungserklärung hat der Käufer davon Kenntnis, dass u.a. beabsichtigt ist, die bestehenden...