Leitsatz (amtlich)
Auch wechselbezügliche Verfügungen eines wegen Testierunfähigkeit eines Ehegatten unwirksamen gemeinschaftlichen Testaments können in ein Einzeltestament des anderen Ehegatten umgedeutet werden.
Normenkette
BGB §§ 140, 2265, 2270
Verfahrensgang
AG Rosenheim (Beschluss vom 05.03.2014; Aktenzeichen VI 0498/12) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des AG Rosenheim vom 5.3.2014 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 375.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Erblasser ist im Februar 2012 im Alter von 86 Jahren verstorben. Die Beteiligte zu 1 (geboren 1924) ist seine Ehefrau. Der Beteiligte zu 2 (geboren 1954) ist der gemeinsame Sohn.
Es liegt ein notarielles gemeinschaftliches Testament vom 9.3.2009 vor, das auszugsweise wie folgt lautet:
"I. Vorbemerkung
Ich (Ehefrau) bin Alleineigentümerin von verschiedenen Grundstücken ..., während ich (Ehemann) Alleineigentümer des Hausanwesens ... bin.
...
III. Gegenseitige Alleinerbeneinsetzung
Wir setzen uns hiermit gegenseitig zu Alleinerben ein.
IV. Vermächtnis
Der Überlebende von uns wird mit folgendem Vermächtnis beschwert:
Der Überlebende hat an den Verein ... den Betrag von 20.000 EUR zu zahlen mit der Auflage, folgende Patenschaften umgehend weiter fortzuführen ...
Vorstehendes Vermächtnis mit der Auflage ist fällig und fällt an sofort bei Ableben des Erstversterbenden von uns.
V. Schlusserbeneinsetzung, Vor- und Nacherbschaft. Vorausvermächtnis
(1) Der Überlebende von uns setzt unseren Sohn ... zu seinem alleinigen Erben ein.
(2) Unser Sohn ... ist jedoch nur Vorerbe.
Nacherben sind die Abkömmlinge unseres vorgenannten Erben nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge.
Falls keine Abkömmlinge vorhanden sind, bestimmen wir den Verein ... zum alleinigen Ersatznacherben des Überlebenden von uns ... Der Nacherbfall tritt ein beim Tode des Vorerben. Der Vorerbe ist von allen Beschränkungen befreit, von denen eine Befreiung gesetzlich zulässig ist.
Die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft ist auflösend bedingt. Die Bedingung tritt ein, wenn der Nacherbe sein Anwartschaftsrecht auf den Vorerben überträgt. Der Vorerbe wird dann Vollerbe. Im Übrigen ist das Anwartschaftsrecht des Nacherben weder vererblich noch übertragbar.
VI. Vermächtnisse
Unser Nacherbe wird mit folgenden Vermächtnissen beschwert:
(folgen Vermächtnisse hinsichtlich der Waldgrundstücke im Alleineigentum der Ehefrau und hinsichtlich von insgesamt 90 % des Kapitalvermögens).
...
VIII. Wechselbezüglichkeit
Die Verfügungen in Ziffer III. bis VII. dieser Urkunde sind wechselbezüglich.
Der Überlebende von uns ist jedoch berechtigt, die Verfügungen in Ziffer V. und VI. im heutigen gemeinschaftlichen Testament beliebig abzuändern oder aufzuheben ..."
Der Beteiligte zu 2 hat am 21.5.2012 einen Teilerbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge beantragt, der ihn als Miterben zu 1/2 neben seiner Mutter ausweist. Das Testament vom 9.3.2009 sei unwirksam, weil seine Mutter zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung aufgrund fortgeschrittener Demenz testierunfähig gewesen sei. Die Nichtigkeit der Willenserklärungen der Ehefrau habe die Unwirksamkeit der Erklärungen des Erblassers einschließlich der Erbeinsetzung der Ehefrau zur Folge.
Die vom Nachlassgericht erwogene Umdeutung in ein Einzeltestament des Erblassers mit Einsetzung der Ehefrau als alleinige Vorerbin und des Sohnes als Nacherbe sowie Anordnung weiterer Nacherbfolge komme nicht in Betracht. Die testierenden Eheleute hätten die Verfügungen in den Ziffern III. bis VII. ausdrücklich als wechselbezüglich bezeichnet und damit zum Ausdruck gebracht, dass die benannten Verfügungen des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein sollten. Der Erblasser habe sich damit festgelegt, die eigenen letztwilligen Verfügungen nur im Zusammenhang mit den letztwilligen Verfügungen der Ehefrau errichten zu wollen. Zudem verfälsche eine Umdeutung den erklärten Willen. Eine Einsetzung der Ehefrau als befreite Vorerbin schränke ihre Verfügungsbefugnis gegenüber der Stellung als Alleinerbin erheblich ein. Die Vor- und Nacherbschaft könne nur noch das Nachlassvermögen des Erblassers betreffen, das aus dem gemeinschaftlichen Vermögen deshalb separiert werden müsse. Auch die Vermächtnisse seien hinsichtlich der jeweiligen Vermögenswerte zu trennen. Der Änderungsvorbehalt lasse sich bei Umdeutung in ein Einzeltestament nicht mehr verwirklichen. So werde der erklärte Wille des Erblassers ersetzt durch vom Testament unabhängige Überlegungen, welche alternativen Gestaltungsmöglichkeiten bestehen könnten und welche Teile seiner letztwilligen Verfügungen für ihn von vorrangiger Bedeutung sein dürften.
Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 5.3.2014 den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Ein gesetzliches Erbrecht stehe dem Beteiligten zu 2 nicht zu, unabhängig davon, ob die Beteiligte zu 1 bei Errichtung des notariellen gemeinschaftlichen Testaments testierfähig gewesen sei oder nicht. Sei sie testierfähig gewesen...