Leitsatz (amtlich)

1. Zur Abgrenzung zwischen Schiedsvereinbarung und Vereinbarung eines Schiedsgutachtens/Schiedsgutachters in einem Werkvertrag.

2. Handelt es sich um eine Schiedsgutachtenvereinbarung, finden die Vorschriften über die Schiedsrichterbestellung (§§ 1034 f. ZPO) durch das Oberlandesgericht keine Anwendung.

 

Normenkette

BGB § 319; ZPO §§ 1029, 1034 Abs. 2, § 1062 Abs. 1 Nr. 1

 

Tenor

I. Der Antrag, anstelle von Dipl.-Ing. G. eine andere Person als Schiedsrichter für ein Schiedsverfahren zwischen den Parteien zu bestellen, wird verworfen.

II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

III. Der Streitwert des Verfahrens wird auf 33.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin, eine Metallbaufirma in der Rechtsform der GmbH, schloss mit der Antragsgegnerin am 19.6.2013 und 16.8.2013 zwei Werkverträge, in denen sie sich zur Durchführung bestimmter Gewerke an einem Hotelbauvorhaben in Vilsbiburg verpflichtete.

Beide Verträge enthalten unter § 11 eine Klausel folgenden Inhalts:

Schiedsgutachtervereinbarung

Besteht während der Bauzeit oder während der Gewährleistungsfrist Meinungsverschiedenheit (z.B.: Baumängel, Nachträge, Abrechnung und Ausführung) zwischen den Vertragschließenden, so ist diese Frage durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen mit verbindlicher Wirkung zwischen den Parteien zu entscheiden.

Als Sachverständigen wählt man bereits jetzt einvernehmlich Herrn Dipl. Ing. Friedrich G.,...

... Die Feststellungen des Sachverständigen sind in jedem Fall für die Parteien hinsichtlich der Frage des Bestehens oder Nichtbestehens der Mängel und der Bewertung verbindlich.

Unter der Überschrift "Gerichtsstand" ist in beiden Verträgen (§ 14) "Landshut" vereinbart.

Die Antragsgegnerin monierte diverse Baumängel und antwortete auf eine Zahlungsaufforderung der Antragstellerin mit Schreiben vom 16.9.2015 abschließend:

... wir raten zur Erstellung des Schiedsgutachtens gem. den Regelungen in den beiden Werkverträgen.

Die Antragstellerin meint, die vertragliche Schiedsgutachterklausel sei als Schiedsgerichtsvereinbarung zu lesen, denn die dort bezeichnete Person sei damit beauftragt worden, eine verbindliche Entscheidung zu treffen, also die klassische Aufgabe eines Schiedsrichters wahrzunehmen. Sie hat beim Oberlandesgericht beantragt, anstelle der in den Verträgen bezeichneten Person einen anderen (Einzel-)Schiedsrichter für das Schiedsverfahren zwischen den Parteien zu bestellen. Den vertraglich bestimmten "Einzelschiedsrichter" habe die Antragsgegnerin in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgegeben; er sei für letztere schon vielfach im Rahmen einer ständigen Geschäftsbeziehung tätig geworden. Die vertragliche Schiedsrichterauswahl benachteilige daher die Antragstellerin.

Auch auf den gerichtlichen Hinweis, dass die Vertragsklausel als Schiedsgutachtenabrede, nicht jedoch als Schiedsvereinbarung zu verstehen sein dürfte, hat sie an ihrem Antrag festgehalten. Der benannte Gutachter solle nicht nur Tatsachen feststellen, sondern außerdem Bewertungen sowie rechtliche Beurteilungen im Zusammenhang mit Nachträgen und Abrechnungen vornehmen, die einer Überprüfung durch das staatliche Gericht entzogen sein sollen. Die Gerichtsstandsklausel könne als Vereinbarung über den Schiedsort verstanden werden.

Die Antragsgegnerin hat unter Verweis auf den Abschluss einer Schiedsgutachtenvereinbarung um Antragszurückweisung nachgesucht.

II. Die Zuständigkeit des Senats für die Entscheidung über den gestellten Antrag ergibt sich aus § 1025 Abs. 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 ZPO i.V.m. § 7 GZVJu vom 11.6.2012 (GVBl S. 295), da nach den von der Antragstellerin als Schieds- und als Vereinbarung über den Schiedsort verstandenen Vertragsklauseln der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens (§ 1062 Abs. 1 Alt. 2 ZPO) in Bayern läge.

2. Der gestellte Antrag ist unzulässig, weil zwischen den Parteien keine Schiedsvereinbarung im Sinne von § 1029 ZPO, sondern eine Schiedsgutachtenvereinbarung besteht und die in den Werkverträgen bezeichnete Person die ihr zugewiesene Aufgabe daher nicht als Schiedsrichter in einem schiedsgerichtlichen Verfahren nach §§ 1025 ff. ZPO, sondern als Schiedsgutachter (entsprechend §§ 315 ff. BGB) erfüllt. Die Vorschriften über die Bestellung eines Schiedsrichters (§§ 1034 f. ZPO) finden deshalb keine Anwendung.

a) § 1034 Abs. 2 ZPO lässt die Bestellung des Schiedsrichters durch das staatliche Gericht zu, wenn die Schiedsvereinbarung einer Partei bei der Zusammensetzung des Schiedsgerichts ein Übergewicht gibt, das die andere Partei benachteiligt. Die gerichtliche Bestellung setzt allerdings das Vorliegen einer Schiedsvereinbarung (§ 1029 ZPO) voraus, mit der die Parteien die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten den staatlichen Gerichten entzogen und einem Schiedsgericht übertragen haben. An einer solchen Vereinbarung fehlt es.

Ob die Parteien eine Schieds- oder aber eine Schiedsgutachtenvereinbarung geschlossen haben, entscheidet sich nicht an der von ihnen gewählten Bezeic...

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