Leitsatz (amtlich)

Wird in Abschiebungshaftverfahren die Entscheidung über die Wiedereinsetzung mit der Beschlussfassung über die Beschwerde verbunden, so ist auf die statthafte sofortige weitere Beschwerde gegen diesen Beschluss die Wiedereinsetzungsfrage vom Gericht der sofortigen weiteren Beschwerde ebenfalls nachzuprüfen, und zwar in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung.

 

Normenkette

FGG § 22 Abs. 1, 2 S. 1, § 22 S. 3

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Beschluss vom 22.12.2005; Aktenzeichen 41 T 2665/05)

AG Kempten (Beschluss vom 26.10.2005; Aktenzeichen 2-XIV 49/05)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Kempten (Allgäu) vom 22.12.2005 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des AG Kempten (Allgäu) vom 26.10.2005 als unzulässig verworfen wird.

II. Der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Ausländerbehörde betreibt die Abschiebung des Betroffenen, eines vermutlich weißrussischen Staatsangehörigen, dessen Antrag auf Asyl im Jahr 2002 abgelehnt wurde. Sein Asylfolgeantrag wurde mit Bescheid vom 16.12.2004 abgelehnt, über die dagegen eingelegte Klage ist noch nicht entschieden. Der Betroffene ist vollziehbar ausreisepflichtig.

Vom 14.2.2005 bis zum 2.8.2005 befand sich der Betroffene in Untersuchungshaft. Seit dem 2.8.2005 befindet sich der Betroffene in Abschiebungshaft, zunächst aufgrund des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 14.4.2005.

Mit Beschl. v. 26.10.2005 hat das AG mit sofortiger Wirksamkeit Abschiebungshaft für die Dauer von weiteren drei Monaten im Anschluss an die bestehende Haft angeordnet. Der schriftlich niedergelegte Beschluss wurde dem Betroffenen nach seiner Anhörung am 26.10.2005 mit einer Rechtsmittelbelehrung bekannt gegeben und anschließend persönlich ausgehändigt. Die schriftliche Ausfertigung des Beschlusses enthält den Hinweis, dass gegen den Beschluss die sofortige Beschwerde binnen zwei Wochen ab Zustellung zulässig ist (§ 7 Abs. 1 FreihEntzG). Am 6.12.2005 hat der Betroffene durch seinen am 23.11.2005 mandatierten Verfahrensbevollmächtigten sofortige Beschwerde gegen die Haftanordnung eingelegt. Zugleich hat er dessen Beiordnung als "Pflichtverteidiger" beantragt. Mit Beschluss des LG vom 22.12.2005 wurde ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gewährt, seine sofortige Beschwerde gegen die Haftanordnung sowie sein Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers jedoch zurückgewiesen. Dagegen hat der Betroffene sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

II.1. Soweit sich die Beschwerde gegen die Versagung der Beiordnung eines Pflichtverteidigers für das Beschwerdeverfahren richtet, ist sie als Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe auszulegen. Das Verfahren bei Freiheitsentziehungen in Fällen der Abschiebungshaft ist kein strafrechtliches Verfahren nach den Regeln der Strafprozessordnung. Vielmehr richtet es sich gem. § 106 Abs. 2 AufenthG nach dem Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen (FreihEntzG). Für dieses Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (s. § 3 S. 2 FreihEntzG). Gemäß § 14 FGG finden die Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe (§§ 114 ZPO) entsprechende Anwendung. Das Rechtsmittel des Betroffenen gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe ist zwar an sich statthaft (§ 14 FGG, § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO; Bassenge/Herbst/Roth, FGG, 10. Aufl., § 14 Rz. 8), hier jedoch unzulässig, weil sie das LG nicht zugelassen hat (OLG München, Beschl. v. 1.6.2005 - 34 Wx 057/05; BayObLG FGPrax 2002, 182; OLG Frankfurt FGPrax 2003, 175).

2. Das im Übrigen zulässige Rechtsmittel des Betroffenen hat i.E. keinen Erfolg.

a) Das LG hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit hier noch erheblich, ausgeführt: Die sofortige Beschwerde sei trotz der Versäumung der zweiwöchigen Frist zur Einlegung zulässig, weil Bedenken bestünden, ob die Rechtsmittelbelehrung den hieran zu stellenden Anforderungen genüge. Die Rechtsmittelbelehrung müsse sich auf die zu beachtenden Frist- und Formvorschriften beziehen und die Gerichte bezeichnen, bei denen das Rechtsmittel eingelegt werden könne.

b) Die Entscheidung des LG zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

(1) Die auf Rechtsfehler beschränkte Überprüfung durch den Senat erstreckt sich auch auf die nach § 22 Abs. 2 FGG erteilte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist. Wird die Entscheidung über die Wiedereinsetzung mit der Beschlussfassung über die Beschwerde verbunden, so ist auf die statthafte sofortige weitere Beschwerde gegen diesen Beschluss die Entscheidung zur Wiedereinsetzung als Verfahrensfrage der Zulässigkeit der Erstbeschwerde vom Gericht der sofortigen weiteren Beschwerde ebenfalls nachzuprüfen, und zwar in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung (BayObLGZ 1979, 251 [253]; Ke...

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