Leitsatz (amtlich)
Die formelle Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG steht nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung (vgl. etwa BGH NZG 2019, 269 Rn. 42 ff, 73; NZG 2019, 979 Rn. 42; NZG 2021, 831 Rn. 45) unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben. Rechtsmissbräuchlich kann die Berufung auf die Legitimationswirkung im Rahmen der Verteidigung gegen eine Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage eines zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht mehr als Inhaber eines Geschäftsanteils eingetragenen Gesellschafters einer GmbH sein, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer einen evidentermaßen noch nicht wirksamen Beschluss über die Ausschließung des Klägers herbeigeführt hatte und sodann die Eintragung der fehlerhaften Liste in das Handelsregister aus eigennützigen Motiven und in Kenntnis von deren Fehlerhaftigkeit selbst veranlasst hat und/oder wenn vor der Beschlussfassung die Rechtswidrigkeit der Ausschließung durch ein rechtskräftiges (Anerkenntnis-)Urteil im Verhältnis zwischen den Parteien festgestellt worden ist.
Tenor
1. Die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 16.12.2021, Az. 12 HK O 3519/20, wird zurückgewiesen.
2. Die beklagte Partei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die beklagte Partei kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger wendet sich mit der Nichtigkeitsklage gegen einen Gesellschafterbeschluss zur Liquidation der Beklagten. Hinsichtlich der Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 16.12.2021, mit dem das Landgericht der Klage vollumfänglich stattgegeben hat, Bezug genommen.
Nach dem unstreitigen zweitinstanzlichen Vortrag fanden am 30.12.2016 nicht eine, sondern zwei Gesellschafterversammlungen statt.
In der ersten Versammlung (offenbar ab 10 Uhr) wurde unter TOP 5 ein Ausschließungsbeschluss getroffen, der als Grundlage einer Ausschließungsklage dienen sollte (Anlage CK 7, S. 21/22). Gegen diesen Beschluss hat der Kläger Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage erhoben, die insoweit mit Endurteil des LG München I vom 20.08.2020 - 8 HK O 1538/17 (Anlage N4) abgewiesen wurde. Die Ausschließungsklage wird beim LG München I unter dem Az. 15 HK O 214/17 geführt; eine Entscheidung wurde bislang nicht mitgeteilt.
In der zweiten Versammlung wurde unter TOP 6 Nr. 1 einstimmig - der Kläger gab keine Stimme ab - beschlossen: "M. [der Kläger] wird als Gesellschafter aus der Gesellschaft aus wichtigem Grund ausgeschlossen. Der Geschäftsanteil von M. wird auf die Erbengemeinschaft D. übertragen. Die Geschäftsführung wird beauftragt, alle geeigneten Maßnahmen einzureichen, insbesondere die Höhe des Abfindungsanspruches zu berechnen." (Anlage BK4, S. 18). Aufgrund dieser Beschlussfassung wurde die Geschäftsführung der Berufungsklägerin angewiesen, am selben Tag gem. § 40 Abs. 1 GmbHG beim zuständigen Handelsregister eine neue Gesellschafterliste zu hinterlegen. Dies geschah (Anlage BK 8). Diesen Beschluss hat das Landgericht München I mit Anerkenntnisurteil vom 23.04.2018 - 8 HK O 1539/17 (Anlage CK6) für nichtig erklärt.
Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren:
Das am 16. Dezember 2021 verkündete Urteil des Landgericht München I, Az. 12 HKO 3519/20 wird abgeändert und die Klage abgewiesen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 06.11.2023 (Bl. 245/253 d. A.) darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Hierzu haben die Beklagte mit Schriftsatz vom 16.01.2024 (im Folgenden: "GE Bekl", Bl. 285/300 d. A.) und ihr Streithelfer mit Schriftsatz vom 10.01.2024 (im Folgenden "GE NI", Bl. 258/284 d. A.) Gegenerklärungen abgegeben.
II. Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 16.12.2021 (Az. 12 HK O 3519/20) ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
1. Das Landgericht hat der Klage zu Recht im Hauptantrag stattgegeben. Die dagegen vorgebrachten Rügen der Berufung greifen auch unter Berücksichtigung des Vorbringens in den Gegenerklärungen nicht durch.
1.1. Die erhobene Nichtigkeitsklage ist analog § 249 AktG statthaft und auch sonst zulässig.
1.1.1. Der Entscheidung ist zugrunde zu lege...