Leitsatz (amtlich)
Zur Anordnung der Leistung einer Prozesskostensicherheit im Verfahren auf Aufhebung eines Schiedsspruchs
Normenkette
ZPO §§ 110, 1059
Tenor
1. Der Streitwert für das Aufhebungsverfahren wird in Abänderung des Beschlusses vom 19. Februar 2020 auf 5.100.000,00 EUR festgesetzt.
2. Der Antragstellerin wird aufgegeben, der Antragsgegnerin für die Prozesskosten eine Sicherheit i.H.v. 143.500,00 EUR durch schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts bis spätestens 23. August 2021 zu leisten.
Gründe
I. 1. Die in den Vereinigten Staaten von Amerika ansässige Antragstellerin (Schiedsbeklagte und Schiedswiderklägerin) begehrt die Aufhebung eines zu ihrem Nachteil am 19.9.2019 in München ergangenen Schiedsspruchs.
Die in Bayern ansässige Antragsgegnerin (Schiedsklägerin und Schiedswiderbeklagte) produziert und verkauft Eyewear-Produkte und Brillenfassungen. Die Antragstellerin war von 2007 bis 2018 als Vertragshändlerin für die Antragsgegnerin für den Vertrieb bestimmter Eyewear-Produkte der Antragsgegnerin in den Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada tätig.
Am 11./14.6.2016 schlossen die Parteien einen Vertragshändlervertrag. In dessen Art. 29 ist in Ziff. 1 geregelt, dass für den Vertrag einschließlich seiner Gültigkeit und Auslegung ... deutsches Recht gelte. Ziff. 2 enthält die Schiedsklausel. Nach Ziff. 3 ist der Schiedsspruch endgültig und für beide Parteien bindend. Weiter ist vereinbart: "Jede Partei trägt die Kosten ihrer eigenen anwaltlichen Vertretung."
Die Antragsgegnerin machte im Schiedsverfahren die Zahlung i.H.v. 380.545,72 EUR für Lieferungen, die zwischen dem 27.12.2017 und 14.2.2018 erfolgten, geltend, nachdem sie mit Schreiben vom 22.2.2018 die Kündigung des Gebietsschutzes unter Hinweis auf angebliche Vertragsverletzungen der Antragstellerin erklärt hatte. Zudem begehrte sie Herausgabe des noch vorhandenen Warenlagers. Die Antragstellerin beantragte im Schiedsverfahren widerklagend Zahlung eines Handelsvertreterausgleichs gemäß § 89b HGB i.H.v. 542.122,28 EUR sowie Schadensersatz i.H.v 2.633.010,00 EUR, nachdem sie ihrerseits mit Schreiben vom 20.4.2018 gemäß § 26 Abs. 3 des Vertrages nach Abmahnung vom 17.4.2018 die Kündigung erklärt hatte. Des weiteren verlangte sie von der Antragsgegnerin die Abgabe eines Angebots zum Abschluss eines Kaufvertrages über das Warenlager, Feststellung, dass die Antragsgegnerin für Veralterung des Warenlagers Schadensersatz zu leisten habe und Verurteilung zur Zurücknahme verschiedener in einem Schreiben vom 27.5.2018 enthaltenen Erklärungen der Antragsgegnerin, wonach die Antragstellerin nicht mehr berechtigt gewesen sei, ab 1.7.2018 Produkte der Antragsgegnerin zu vertreiben.
Mit Schiedsspruch vom 19.9.2019 wurde die Antragstellerin verurteilt 380.542,72 EUR zu bezahlen sowie bestimmte, näher bezeichnete Produkte, bezahlte Werbematerialien, Ersatzteile und Komponenten an die Antragsgegnerin herauszugeben bzw. alle weiteren, nicht bezeichneten Produkte, bezahlte Werbematerialien, Ersatzteile und Komponenten, die sich in ihrem Besitz befinden, zu vernichten. Die Schiedswiderklage wurde abgewiesen. Den Streitwert des Schiedsverfahrens bezifferte das Schiedsgericht mit 6.785.954 EUR.
Mit Schriftsatz vom 28.10.2019 hat die Antragstellerin beantragt, den Schiedsspruch vom 19.9.2019 aufzuheben.
2. Unter dem 22.7.2020 hat die Antragstellerin Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach dem so genannten Chapter 11 - Verfahren in den Vereinigten Staaten gestellt. Das US-Insolvenzgericht hat auf Antrag der Antragstellerin zunächst das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Mit Beschluss des United States Bankruptcy Court - Southern District Of Florida, Fort Lauderdale vom 11.8.2020 wurde das Ruhen des Verfahrens aufgehoben, um den vorliegenden Rechtsstreit fortzusetzen. Nach Ziff. 2. der in beglaubigter deutscher Übersetzung vorgelegten Anordnung vom 11.8.2020 wird gem. 11 U.S.C. § 362(a) Aufschub gewährt, um das Oberlandesgericht in München zu ermächtigen, die Prüfung des Antrags der Antragstellerin auf Aufhebung des Schiedsspruchs zwischen den Parteien fortzusetzen. Die Parteien können nach Genehmigung durch das deutsche Gericht an diesem Verfahren teilnehmen. Die Antragstellerin hat das Verfahren gemäß § 352 Abs. 1 Satz 2, 1. Alt. InsO aufgenommen. Die Antragsgegnerin ist dem nicht entgegengetreten.
3. Die Antragsgegnerin hat in Erwiderung auf die am 6.11.2019 zugestellte Antragsschrift mit Schriftsatz vom 11.11.2019 die Einrede der mangelnden Prozesskostensicherheit erhoben und beantragt, der Antragstellerin aufzugeben, wegen der Prozesskosten die Leistung einer Sicherheit i.H.v. 178.690,59 EUR, hilfsweise in einer vom Gericht zu bestimmenden Höhe zu stellen.
Zwar sei bezüglich Vollstreckbarerklärungsverfahren nach § 1061 ZPO vom Bundesgerichtshof und verschiedenen Obergerichten die Anwendung des § 110 ZPO abgelehnt worden. Für Aufhebungsverfahren sei dies aber noch nicht höc...