Leitsatz (amtlich)
Die nähere Bezeichnung von Sondereigentum in der Teilungserklärung als "Laden" hat nicht die Bedeutung einer Nutzungsbeschränkung mit Vereinbarungscharakter, wenn sich aus der Gemeinschaftsordnung ergibt, dass sämtliche Sondereigentumseinheiten nicht von vorneherein ausschließlich der Nutzung als Wohnraum oder als gewerbliche Räume zugeordnet werden.
Normenkette
WEG § 15 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 08.08.2006; Aktenzeichen 1 T 1900/06) |
AG München (Beschluss vom 27.12.2005; Aktenzeichen 482 UR II 243/05) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers werden der Beschluss des AG München vom 27.12.2005 und der Beschluss des LG München vom 8.8.2006 aufgehoben.
II. Der Eigentümerbeschluss vom 10.2.2005 zu TOP 4 ist nichtig.
III. Die Nutzung der Sondereigentumseinheit Nr. 5 zu Wohnzwecken ist zulässig.
IV. Die Antragsgegner tragen samtverbindlich die Gerichtskosten in allen Rechtszügen. Die Erstattung außergerichtlicher Kosten wird für keinen Rechtszug angeordnet.
V. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Antragsteller, Nebenintervenient und Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.
Mit Kaufvertrag vom 29.10.2004 erwarb der Antragsteller vom Nebenintervenienten die Sondereigentumseinheit Nr. 5, die im Nachtrag zur Teilungserklärung vom 16.10.1980 folgendermaßen beschrieben ist:
"Mit dem Miteigentumsanteil von 104,95 1/000 ist nicht das Sondereigentum an dem im Aufteilungsplan mit Nr. 5 bezeichneten Büro, sondern an der im Aufteilungsplan mit Nr. 5 bezeichneten Praxis verbunden. Zur Praxis Nr. 5 gehört keine Diele, sondern ein Eingang."
Die Gemeinschaftsordnung in der Teilungserklärung vom 11.2.1980 beinhaltet in § 2 und § 3 auszugsweise folgende Regelungen:
"§ 2 Gegenstand des Wohnungseigentums und Begriffsbestimmungen
1. Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer abgeschlossenen Wohnung oder einem bewohnbaren Raum in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört.
2. Teileigentum ist das Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört. ...
§ 3 Nutzung
1. Jeder Wohnungseigentümer hat das Recht, die in seinem Sondereigentum stehenden Räume, die seinem Sondernutzungsrecht unterliegenden Gegenstände und neben den übrigen Miteigentümern das gemeinschaftliche Eigentum in der jeweiligen Zweckbestimmung entsprechenden Weise zu nutzen, soweit nicht das Gesetz, diese Gemeinschaftsordnung oder die Rechte der übrigen Wohnungseigentümer oder Rechte Dritter entgegenstehen.
2. Zur Ausübung eines Gewerbes oder eines Berufes in den dem Sondereigentum unterliegenden Räumen ist der Wohnungseigentümer nur mit Zustimmung des Verwalters berechtigt. Ausgenommen hiervon sind die Sondereigentumseinheiten im Erdgeschoss, 1. Obergeschoss und 2. Obergeschoss, die jederzeit gewerblich genutzt werden dürfen."
Derzeit wird das Sondereigentum, wie in der Teilungserklärung beschrieben, im 3., 4. und 5. Obergeschoss als Wohnungseigentum, in den übrigen Geschossen als gewerbliche Einheiten genutzt.
In der Wohnungseigentümerversammlung vom 10.2.2005 lehnten die Wohnungseigentümer unter Tagesordnungspunkt (TOP) 4 mehrheitlich den Antrag auf Zustimmung der Gemeinschaft zur Nutzungsänderung der Praxen in Wohnraum - 2. Obergeschoss Teileigentum 4 und 5 - ab.
Der Antragsteller hat beantragt, den Eigentümerbeschluss zu TOP 4 für ungültig zu erklären und die Antragsgegner zu verpflichten, ihm die Nutzung seines Teileigentums Nr. 5 zu Wohnzwecken zu gestatten. Mit Beschluss vom 27.12.2005 hat das AG diese Anträge abgelehnt. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das LG mit Beschluss vom 8.8.2006 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
1. Das LG hat ausgeführt:
Für die Anfechtung des Negativbeschlusses zu TOP 4 fehle es dem Antragsteller nicht am Rechtsschutzbedürfnis, da dieser Beschluss für den Verwalter eine bindende Wirkung hinsichtlich seiner Zustimmungsmöglichkeiten zu einer Nutzungsänderung nach § 3 Nr. 2 der Gemeinschaftsordnung (GO) entfalten könne.
Der Beschluss sei aber nicht für ungültig zu erklären, da er ordnungsmäßiger Verwaltung entspreche. Ein Anspruch auf Gestattung der Nutzungsänderung gegen die Antragsgegner bestehe nicht.
Bei der Eigentumseinheit Nr. 5 handle es sich gem. § 2 Nr. 2 GO um Teileigentum, das nicht zu Wohnzwecken bestimmt sei. Da in § 2 Nr. 1 und 2 GO eine eindeutige Unterscheidung zwischen Wohnungs- und Teileigentum getroffen worden sei, scheide eine Auslegung, dass beide Nutzungsarten zulässig sein sollten, aus. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 3 Nr. 2 GO, dem nur zu entnehmen sei, dass für bestimmte Einheiten eine Genehmigung der Nutzung zu gewerblichen ...