Verfahrensgang

LG München I (Entscheidung vom 26.04.2022; Aktenzeichen 20 KLs 458 Js 161197/19)

AG München (Entscheidung vom 28.06.2019; Aktenzeichen ER VII Gs 1920/19)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 15.11.2022; Aktenzeichen 2 BvR 1139/22)

BVerfG (Beschluss vom 06.07.2022; Aktenzeichen 2 BvR 1139/22)

 

Tenor

  • I.

    Die Beschwerde des Angeklagten vom 28. März 2022 gegen die in Ziffer I. 2 b) des Haftbeschränkungsbeschlusses des Amtsgerichts München vom 28. Juni 2019 getroffene Anordnung zur Überwachung der Telekommunikation wird als unbegründet verworfen.

  • II.

    Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht München erließ gegen den Angeklagten am 28.06.2019 einen auf den Haftgrund der Fluchtgefahr gestützten Haftbefehl wegen des dringenden Verdachts der Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellem Missbrauch eines Kindes und Nötigung. Mit weiterem Beschluss vom selben Tag ordnete das Amtsgericht gemäß § 119 Abs. 1 StPO haftgrundbezogene Beschränkungen während der Untersuchungshaft an. Unter Ziffer I 2) jenes Beschlusses wurde unter anderem bestimmt, dass Telekommunikation des Angeklagten der Erlaubnis bedarf und ggf. zu überwachen ist. Die Staatsanwaltschaft München I, der in dem genannten Beschluss die Ausführung der Beschränkungsanordnungen übertragen wurde, erteilte in der Folge Erlaubnisse für Telefonate zwischen dem Angeklagten und seinen Eltern.

Im Anschluss an die Haftbefehlseröffnung wurde der Angeklagte noch am 28.06.2019 aufgrund einer in anderer Sache rechtskräftig angeordneten Unterbringungsmaßregel gemäß § 63 StGB in das I.-A.-Klinikum verbracht. Von dort wurde er am 11.07.2019 in das Bezirkskrankenhaus S. verlegt, wo er seither untergebracht ist. Wegen des Haftbefehls in der vorliegenden Sache bestand durchgehend Überhaft.

Mit Urteil vom 13.07.2021 sprach die Jugendkammer des Landgerichts München I den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit Vergewaltigung und Nötigung schuldig, verhängte gegen ihn eine Freiheitsstrafe von 12 Jahren und ordnete seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an. Durch Beschluss vom selben Tag erhielt die Kammer den Haftbefehl nach Maßgabe des Urteils aufrecht.

Auf Revision des Angeklagten hob der Bundesgerichtshof das genannte Urteil am 22.03.2022 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen auf. Die weitergehende Revision wurde als unbegründet verworfen. Im Umfang der Aufhebung wurde die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Mit Verfügung vom 02.05.2022 wurden die Akten nach Abschluss des Revisionsverfahrens an die Staatsanwaltschaft München zurückgeleitet, wo sie am 05.05.2022 eingingen.

Der Verteidiger des Angeklagten beantragte mit Schreiben vom 28.03.2022 gegenüber dem Landgericht München I, die Anordnung über die akustische Überwachung der Telefonate zwischen dem Angeklagten und dessen Eltern aufzuheben. Da der Angeklagte die abgeurteilte Tat gestanden habe und eine erstinstanzliche Verurteilung erfolgt sei, sei die Überwachungsanordnung nicht mehr notwendig und daher unverhältnismäßig. Aufgrund der hohen Intensität des mit der Telekommunikationsüberwachung verbundenen Grundrechtseingriffs käme eine Aufrechterhaltung der Anordnung nur in Betracht, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Angeklagte nicht überwachte Telefonate für eine Gefährdung der Haftzwecke missbrauchen würde; die bloße Möglichkeit eines solchen Missbrauchs reiche nicht aus.

Das Landgericht hat den Antrag als Beschwerde gegen die genannte Anordnung in dem Haftbeschränkungsbeschluss des Amtsgerichts ausgelegt. Mit Beschluss vom 26.04.2022 hat es der Beschwerde nicht abgeholfen und den Antrag, die Überwachung der Telekommunikation aufzuheben, zurückgewiesen. Die Eltern des Angeklagten kämen im Rahmen des nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens als Zeugen in Betracht. Der Umstand, dass der Angeklagte den Tatvorwurf eingeräumt habe, ändere hieran nichts, da insbesondere Angaben der Eltern zur psychischen Verfassung des Angeklagten vor und während der Tat Bedeutung für das weitere Verfahren erlangen könnten. Vor diesem Hintergrund sei eine Fortdauer der akustischen Überwachung von Telefonaten zwischen dem Angeklagten und seinen Eltern auch unter Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Schutzes der Familie (Art. 6 GG) weiterhin erforderlich und verhältnismäßig, zumal der Angeklagte bereits im Ermittlungsverfahren erfolgreich angeordnete Überwachungsmaßnahmen umgangen habe. Dem Angeklagten und seinem Verteidiger wurde mit Verfügung vom 26.04.2022 jeweils eine Abschrift des Nichtabhilfebeschlusses übersandt.

Die Generalstaatsanwaltschaft München hat mit Schreiben vom 13.05.2022 die Verwerfung des Rechtsmittels als unbegründet beantragt.

II.

1) Gemäß § 119 Abs. 5 StPO war der Antrag des Angeklagten als Beschwerde gegen die der Telekommunikationsüberwachung zugrundeliegende Anordnung in dem Beschränku...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge