Entscheidungsstichwort (Thema)
OLG München: Schlusserben, Beschwerdeführerin, Pflegekind, Nachlassgericht, Rieder, FamFG, ergänzenden Auslegung, Neffe, Abkömmling, Auslegungsregel, Schlusserbeneinsetzung, Ersatzerbe, Teilungsanordnung, Elternteil, Erbquote, Erfahrungsgrundlage, Stamm, Seitenlinie, Testament
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Ersatzerbfolge im Rahmen der ergänzenden Auslegung, wenn beide Miterben (hier: einer von drei Neffen - ein in die Famile der Mutter der Erblasserin aufgenommenes Pflegekind) vorverstorben sind.
Normenkette
BGB §§ 2069, 2084, 2096
Verfahrensgang
AG München (Beschluss vom 05.03.2015) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1, 2, 3 und 4 gegen den Beschluss des AG München - Nachlassgericht - vom 5.3.2015 werden zurückgewiesen.
2. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben die dem Beteiligten zu 5 im Beschwerdeverfahren entstanden außergerichtlichen Kosten zu 58 %, die Beteiligten zu 3 und 4 zu 42 % zu erstatten.
3. Die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren haben die Beteiligten zu 1 und 2 zu 58 %, die Beteiligten zu 3 und 4 zu 42 % zu tragen.
4. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 310.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Erblasserin ist am 31.12.2013 verstorben. Sie war in einziger Ehe mit J. B. verheiratet, der am 15.5.1983 vorverstorben ist. Aus der Ehe gingen keine Kinder hervor, die Erblasserin hatte keine nichtehelichen Kinder und niemand als Kind angenommen.
Die Eltern der Verstorbenen sind vorverstorben. Aus der ersten Ehe der Mutter ging nur ein unter Hinterlassung des Beteiligten zu 5 und zweier weiterer Söhne vorverstorbener Sohn hervor. Von dessen vorverstorbenen Söhnen ist einer ohne Abkömmlinge verstorben, der andere 2008 unter Hinterlassung der Beteiligten zu 1 (geb. 1999) und 2 (geb. 2001). Die Beteiligten zu 3 (geb. 1970) und 4 (geb. 1980) sind Abkömmlinge eines von der Mutter der Erblasserin in ihre Familie aufgenommenen Pflegekindes.
Die Erblasserin errichtete am 23.5.1982 gemeinsam mit ihrem Ehemann ein gemeinschaftliches handschriftliches Testament, in dem sich die Ehegatten gegenseitig sowie den Vater der Beteiligten zu 1 und 2 und die Mutter der Beteiligten zu 3 und 4 als Schlusserben einsetzten und eine Teilungsanordnung trafen.
Der Beteiligte zu 4 hat die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der die Beteiligten zu 1-4 als Erben zu je ¼ ausweist. Er ist der Auffassung, dass die Beteiligten jeweils Ersatzerben ihrer vorverstorbenen, als testamentarische Schlusserben bestimmten Elternteile geworden seien. Sowohl der Vater der Beteiligten zu 1 und 2 als auch die Mutter der Beteiligten zu 3 und 4 hätten den Ehegatten besonders nahe gestanden (z.B. sei die Erblasserin Trauzeugin der Mutter der Beteiligten zu 3 und 4 gewesen wie auch der Beteiligte zu 4 ihr Patenkind gewesen sei), so dass in ihrer Schlusserbeneinsetzung zugleich die Ersatzerbeneinsetzung angedeutet sei.
Die Beteiligten zu 1 und 2 sind grundsätzlich auch der Ansicht, dass für die Erbfolge das gemeinschaftliche Testament maßgeblich sei. Allerdings bestimmten sich die Erbquoten nach dem Wert der zugewendeten Immobilien, so dass die Beteiligten zu 1 und 2 jeweils Erben zu 3/10 und die Beteiligten zu 3 und 4 Erben zu je 2/10 geworden seien.
Der Beteiligte zu 5 ist dem Antrag entgegen getreten. Er ist der Ansicht, dass gesetzliche Erbfolge eingetreten sei; die testamentarischen Schlusserben seien lediglich persönlich bedacht worden, nicht jedoch als Erste ihres Stammes.
Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag zurückgewiesen, da für die Erbfolge nicht das gemeinschaftliche Testament vom 23.5.1982 maßgeblich ist. Diese bestimme sich kraft Gesetz. Hiergegen richten sich die Beschwerden der Beteiligten zu 1-4.
II. Die zulässigen Beschwerden haben in der Sache keinen Erfolg. Der Senat teilt die Auffassung des Nachlassgerichts, dass sich die Erbfolge nicht nach dem gemeinschaftlichen Testament vom 23.5.1982 bestimmt.
1. Die in dem Testament bedachten Schlusserben sind beide vor dem Eintritt des Schlusserbfalls verstorben. Eine ausdrückliche Ersatzerbeneinsetzung findet sich in dem Testament nicht.
a) Die Auslegungsregel des § 2069 BGB, wonach dann, wenn der Erblasser einen Abkömmling bedacht hat und dieser nach Errichtung des Testaments wegfällt, im Zweifel dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden, kann hier deshalb nicht anwendet werden, weil als Schlusserben ein Neffe der Erblasserin und ein in den Haushalt der Mutter der Erblasserin aufgenommenes Pflegekind (= Mutter der Beteiligten zu 3 und 4), nicht aber ein Abkömmling der Erblasserin bedacht wurde. Diese Auslegungsregel kann auch nicht entsprechend angewandt werden. Sie ist Ausprägung einer allgemeinen Lebenserfahrung. Bei einer nur in der Seitenlinie verwandten Person oder anderen nahen Verwandten fehlt es an dieser Erfahrungsgrundlage, so dass eine analoge Anwendung grundsätzlich ausscheidet. In diesen Fällen erfordert die Annahme einer Ersatzberufung der Abkömmlinge des...