Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache: Zulässigkeit von Gegenbeweisanträgen im selbstständigen Beweisverfahren
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 5 OH 15660/92) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 20.10.1992 gegen den Beschluß der 5. Zivilkammer des Landgerichts vom 07.10.1992 – 5 OH 15660/92 – wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Wert der Beschwer beträgt 10.000,– DM.
Gründe
I.
Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 11.08.1992. ergänzt und berichtigt durch Schriftsatz vom 10.09.1992, hat der Antragsteller bei der 5. Zivilkammer des Landgerichts München I die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gem. § 485 ff. ZPO gegen die Antragsgegnerin beantragt. Es sollte Beweis darüber erhoben werden, daß der Estrich unter dem von der Antragstellerin im Bauvorhaben „Bürogebäude mit Betriebspost und Wohnungen” in … … verlegten Bodenbelag vier im einzelnen näher bezeichnete Mängel aufweist.
Demgegenüber hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 05.10.1992 beantragt, im Wege des selbständigen Beweisverfahrens gem. § 485 Abs. 2 ZPO durch schriftliches Sachverständigengutachten Gegenbeweis darüber zu erheben, daß der vom Antragsteller im gesamten Erdgeschoß des vorgenannten Anwesens verlegte PVC-Belag Blasenbildungen in unterschiedlicher Größe aufweist.
Ein Rechtsstreit ist zwischen den Parteien bisher noch nicht anhängig.
Mit Beweisbeschluß vom 07.10.1992 – 5 OH 15660/92 – hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts München I dem Begehren des Antragstellers stattgegeben, den Gegenantrag der Antragsgegnerin jedoch als unzulässig abgelehnt, weil derartige Anträge in § 485 ff. ZPO nicht vorgesehen seien und auch kein praktisches Bedürfnis für eine solche Ausweitung des Verfahrens bestehe, da ein selbständiger Beweissicherungsantrag gestellt werden könne.
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer gemäß §§ 567 Abs. 1, 569 ZPO statthaften und zulässigen Beschwerde, welcher das Landgericht mit Beschluß vom 21.10.1992 nicht abgeholfen hat.
Der Antragsteller hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.
Das Rechtsmittel kann in der Sache keinen Erfolg haben, weil das Landgericht den Antrag der Antragsgegnerin vom 05.10.1992 zu Recht als unzulässig abgelehnt hat.
Gemäß § 485 Abs. 3 ZPO ist ein parallel laufendes zweites Beweis verfahren auf Antrag des Gegners zu den nämlichen Beweisfragen gesetzlich ausgeschlossen, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen des § 412 ZPO vorliegen, unter denen ein weiteres Gutachten einzuholen ist.
Ein Fall des § 485 Abs. 3 ZPO liegt hier allerdings nicht vor. weil der Antragsteller die angebliche Fehlerhaftigkeit der Vorarbeiten (Estrich) festgestellt haben will, während die Antragsgegnerin Feststellung der angeblichen Mängel in der Arbeit des Antragstellers (PVC-Belag) begehrt. Insoweit geht das Landgericht zu Recht davon aus, daß das Gesetz solche (erweiternde) Beweisanträge des Gegners (= Gegneranträge) nicht vorsieht. Angesichts der hohen Strittigkeit dieses Problems beim früheren Beweissicherungsverfahren (vgl. Baumbach/Hartmann, 51. Aufl., Rdnr. 6 zu § 487 ZPO) hätte nichts näher gelegen, als eine ausdrückliche Zulassung, wenn der Gesetzgeber dies gewollt hätte. Auch Widerklage, Anschlußberufung und Anschlußrevision sind nicht etwa aus prozeßökonomischen Gründen, sondern nur deshalb zulässig, weil das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht.
Auch die Tatsache, daß sich im vorliegenden Falle die Gegneranträge auf denselben Bauvertrag beziehen und die Klärung aller gegenwärtig strittigen Mängel aus dieser Rechtsbeziehung zum Gegenstand haben, spricht entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht für die Zulässigkeit der Gegneranträge. Zwar soll durch die Regelung des § 486 Abs. 2 ZPO nicht nur eine frühzeitige, beschleunigte und konzentrierte Klärung streitiger Beweisfragen ermöglicht, sondern, wie sich insbesondere aus § 492 Abs., 3 ZPO ergibt, auch eine möglichst schnelle und frühzeitige Streiterledigung, durch Vergleich herbeigeführt werden. Zur Erreichung dieses Zieles ist es aber nicht unbedingt notwendig, daß Antrag und Gegenantrag vor demselben Gericht in einem einheitlichen Verfahren behandelt werden. In der Praxis werden vielmehr häufig von einem Gericht auch anderweitig anhängige Rechtsstreitigkeiten ohne die Klärung sämtlicher Streitpunkte im einzelnen durch Vergleich miterledigt, wenn über den oder die zentralen Streitpunkte Einigkeit erzielt werden kann. Im übrigen weist das Landgericht mit Recht darauf hin, daß sich die Durchführung der Beweisaufnahme erheblich verzögern kann, wenn über Gegneranträge mit anderen Beweisthemen oder gar über weitere Beweisanträge gegen Dritte vorab entschieden werden müßte. Häufig werden nämlich zu den verschiedenen Beweisanträgen auch verschiedene Sachverständige unterschiedlicher Fachrichtung gehört werden müssen, wie etwa im vorliegenden Fall zum Antrag des Antragstellers ein Sachverständiger für Estricharbeiten und zum Antrag der Antragsgegnerin ...