Leitsatz (amtlich)
Unter der Geltung der §§ 12, 13 GVG des am 1. Oktober 1879 in Kraft getretenen Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Januar 1877 (RGBl. S. 41) finden "privilegirte Gerichtsstände" zu Gunsten der 1806 und danach mittelbar gewordenen ehemaligen Reichsständen nach Art. 14 lit. c Nr. 3 der Deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815 nicht mehr statt. Ein hierauf nach § 23 Abs. 1 EGGVG gerichteter Antrag an das Oberlandesgericht ist unzulässig, weil er auf einen Akt der Gesetzgebung zur Wiederherstellung des vor dem 1. Oktober 1879 geltenden Rechtszustands hinausläuft.
Tenor
I. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung des G. von und zu V.
vom 3. September 2010 auf Zuerkennung eines "privilegirten Gerichtsstands" wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.
II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird als unbegründet zurückgewiesen.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
IV. Der Gegenstandswert wird auf 3.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das Amtsgericht Gemünden hat den Antragsteller am 7. Oktober 2009 wegen Beleidigung und Hausfriedensbruchs unter Einbeziehung von Strafen aus anderen Urteilen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten und 2 Wochen und zu einer gesonderten Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt.
Mit Schreiben vom 3. September 2010 hat der Antragsteller zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg gegen den Freistaat Bayern Verwaltungsklage erhoben und festzustellen begehrt, dass für den "Kläger als Angehörigem des 'Reichsadels' gemäß der Deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815 der 'privilegierte Gerichtsstand'" anerkannt werde. Zudem hat der Antragsteller Prozesskostenhilfe beantragt. Zur Begründung hat sich der Antragstellung auf den Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803 und die Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815 bezogen, die auf ihn als dem Nachfahren seines leiblichen Großvaters Reichsfreiherrn O. von und zu V. anzuwenden seien. Die Vorrechte seien nie abgelöst worden. Seinem Antrag hat er einen Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" 30/2010 beigefügt, der sich mit staatlichen Leistungen an die Kirchen befasst. Unter dem 7. Juli 2010 hatte der Antragsteller einen ähnlichen Antrag gegenüber dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gestellt. Darin hat er ausgeführt, dass seine Familie 1364 nobilitiert und mit dem Fideikommiss-Erblehen V. bei N. in P. belehnt worden sei. Als Mitglied des Reichsadels könne er vor ein "normales Gericht" nicht, sondern müsse vor ein "Standesgericht" geladen werden. Er könne sich als Nachfahre preußischer Staatsbürger gemäß den Landesgesetzen des Königreichs Preußen nur dort vor Gericht verantworten, weil nach den bestehenden Lehensverhältnissen "de iure" dort die "Standesgerichtsbarkeit" bestünde. Letztere bestünde für ihn nicht in Bayern, so dass weitere hier geplante Anklagen gegen ihn rechtswidrig seien.
Das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat am 22. September 2010 die Statthaftigkeit der erhobenen Verwaltungsklage bestritten und dargelegt, dass nach dem Zusammenhang und dem klaren Wortlaut der Schreiben des Antragstellers dieser von der Strafrechtspflege ausgenommen werden möchte.
Dieses Ziel könne er vor den Verwaltungsgerichten nicht erreichen.
Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 16. Oktober 2010 am beschrittenen Rechtsweg festgehalten, hilfsweise sich aber mit der Verweisung des Rechtsstreits an das Oberlandesgericht München einverstanden erklärt.
Mit Beschluss vom 21. Oktober 2010 hat das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Oberlandesgericht München verwiesen.
Der Generalstaatsanwalt in München wurde angehört und hat mit Vorlagebericht vom 12. April 2011 beantragt, dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu versagen und seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zu verwerfen. Der Antrag sei unzulässig, weil er auf ein nicht erreichbares Ziel gerichtet sei. Zum einen habe der Antragsteller seine Zugehörigkeit zum privilegierten Adelsstand nicht glaubhaft gemacht.
Zum anderen aber verbiete Art. 101 Abs. 1 GG Sondergerichte. Der Antragsteller unterliege der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Die Deutsche Bundesakte sei durch die Einführung des Strafgesetzbuchs und der Strafprozessordnung obsolet geworden.
Die Justizgesetze des Deutschen Reichs seien am 1. Oktober 1879 in Kraft getreten und hätten alle anderen bis dahin bestehenden Partikularrechte im Deutschen Reich abgelöst.
Dem Antragsteller ist am 14. April 2010 Gelegenheit gegeben worden, sich zu dem Vorlagebericht zu äußern. Er hat mit Schriftsatz vom 21. April 2011 Stellung genommen.
II. Der Antrag vom 3. September 2010 ist gemäß § 23 Abs. 1 EGGVG nicht statthaft, denn Gegenstand des Antrags ist nicht eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet der Strafrechtspflege getroffen we...