Entscheidungsstichwort (Thema)
Revision. Berufungsurteil. Urteilsurkunde. schriftliche Urteilsgründe. fehlende Unterschrift. kein Verhinderungsvermerk. Sachrüge. keine Nachholung der Unterschrift
Normenkette
StPO § 275 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LG München II (Entscheidung vom 22.11.2017; Aktenzeichen 8 Ns 47 Js 46869/15) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 22.11.2017 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts München II zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Ebersberg verurteilte den Angeklagten am 04.04.2017 wegen Missbrauchs von Notrufen und Beeinträchtigung von Unfallverhütungs- und Nothilfemitteln in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten.
Das Landgericht München II verwarf die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten ohne Verhandlung zur Sache gemäß § 329 Abs. 1 SIPO mit Urteil vom 22.11.2017.
Der Angeklagte legte gegen diese Entscheidung form- und fristgerecht Revision ein und erhob unter anderem die allgemeine Sachrüge.
In ihrer Stellungnahme vom 21.02.2018, beim Senat eingegangen am 16.04.2018, verwies die Generalstaatsanwaltschaft München auf die fehlende Unterschrift unter dem Urteil des Landgerichts München II und beantragte auf die Sachrüge hin die Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts München II.
II.
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Das zu den Akten gelangte Urteil des Landgerichts München II ist nicht von der Vorsitzenden Richterin des Landgerichts unterschrieben und trägt auch keinen Verhinderungsvermerk.
Gemäß § 275 Abs. 2 S. 1 StPO ist das Urteil von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. S. 2 sieht vor, dass für den Fall, in dem ein Richter verhindert ist, seine Unterschrift beizufügen, dies unter der Angabe des Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung von dem ältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt wird.
Gegenstand der Überprüfung eines Urteils durch das Revisionsgericht in sachlichrechtlicher Hinsicht sind allein die schriftlichen Urteilsgründe, wie sie sich aus der gemäß § 275 StPO mit der Unterschrift des Richters bzw. der Richter zu den Akten gebrachten Urteilsurkunde ergeben. Trägt ein Urteil überhaupt keine Unterschrift, ist dieser Mangel auf Sachrüge hin zu beachten. Das Fehlen jedweder Unterschrift der erkennenden und entscheidenden Richter ist dem völligen Fehlen der Urteilsgründe gleichzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 21.11.2000, NJW 2001, 838, 839, der den Unterschied zu einem mit der Verfahrensrüge geltend zu machenden Verfahrensfehler nach § 338 Nr. 7 StPO herausstellt, der in Betracht kommt, wenn bei der Entscheidung durch ein Kollegialgericht (nur) ein Richter keine Unterschrift leistet; OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.02.2010, NStZ-RR 2010, 250, 251; OLG Hamm, Beschluss vom 19.08.2010, NStZ 2011, 238; OLG Bamberg, Beschluss vom 30.04.2018, Az.: 3 Ss OWi 602/18 zitiert über juris, Rdn. 3).
In Ermangelung der Unterschrift der Vorsitzenden Richterin am Landgericht als alleiniger Berufsrichterin (§ 275 Abs. 2 S. 3 StPO) ist der Inhalt der schriftlich fixierten Urteilsgründe nicht gedeckt, d.h. es fehlt das Zeugnis, dass es sich bei den schriftlich niedergelegten Gründen um die Gründe des Gerichts handelt, die als Ergebnis der Hauptverhandlung in der Beratung gewonnen wurden. Dem Senat ist damit eine Entscheidung, ob das Landgericht München II das sachliche Recht zutreffend angewandt hat, nicht möglich.
Der Mangel wird nicht durch den maschinenschriftlich abgedruckten Namen der Vorsitzenden Richterin am Landgericht und auch nicht durch die Bestätigung der Geschäftsstelle: "Unterschriebenes Urteil zur Geschäftsstelle gelangt am 23.11.2017" ausgeglichen. Diese Zusätze vermögen die vom Gesetz geforderte Unterzeichnung nach § 275 Abs. 2 S. 1 StPO nicht zu ersetzen (vgl. OLG Bamberg a.a.O. Rdn. 4).
Gleiches gilt für die Unterschrift der Vorsitzenden Richterin am Landgericht, mit der sie die Zustellung des nicht unterschriebenen Urteils angeordnet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 01.04.2010. StV 2010. 618).
Ein nach § 275 Abs. 2 S. 2 StPO durch den zuständigen Vertreter angebrachter Verhinderungsvermerk fehlt ebenso.
Nach Ablauf der in § 275 Abs. 1 StPO bestimmten Frist können weder die Unterschrift der Vorsitzenden Richterin am Landgericht noch der Verhinderungsvermerk nachgeholt werden (vgl. BGH NStZ-RR 200, 237, 238, M/G Schmitt StPO 61. Aufl. § 275 Rdn. 4).
Das angefochtene Urteil ist daher schon aufgrund des aufgezeigten sachlichrechtlichen Mangels mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts München II zurückzuverweisen (§§ 353, 354 Abs. 2 S. 1 StPO). Ob das Urteil auch auf die Verfahrensrüge hin hatte aufgeho...