Leitsatz (amtlich)
1.
Die Frage der Angemessenheit der Abfindung ist Rechtsfrage und unterliegt der vollen gerichtlichen Nachprüfbarkeit.
2.
Die Gerichte in Spruchverfahren haben unter Berücksichtigung des Schätzungsermessens die einzelnen Parameter der angemessenen Abfindung zu bestimmen und können es nicht dabei bewenden lassen, die angebotene Abfindung unter Billigkeitsgesichtspunkten zu überprüfen.
3.
Es ist nicht verfehlt, bei der Errechnung der Barwerte davon auszugehen, dass die jährlich erwirtschafteten Erträge erst Mitte des Folgejahres ausgeschüttet werden.
Verfahrensgang
LG München I (Entscheidung vom 27.10.2006; Aktenzeichen 5 HK O 17609/00) |
Tenor
I.
Die sofortigen Beschwerden und die Anschlussbeschwerde der Verfahrensbeteiligten gegen die vom Landgericht im Beschluss vom 27. Oktober 2006 festgesetzte Abfindung nebst Zinsausspruch werden zurückgewiesen.
II.
Der Geschäftswert beider Instanzen wird auf 2.488.590 EUR festgesetzt.
III.
Die dem Vertreter der außenstehenden Aktionäre für die erste Instanz zu erstattenden Vergütungen und Auslagen werden einschließlich der gesetzlichen Umsatzsteuer auf 30.000 EUR festgesetzt.
IV.
Insoweit werden Ziff. III und IV des Beschlusses des Landgerichts München I vom 27. Oktober 2006 abgeändert.
Gründe
I.
Verfahrensgegenstand ist die Überprüfung der Angemessenheit der Abfindung für die Eingliederung der F.-AG in eine Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin (Hauptgesellschaft). Die Hauptversammlung der eingegliederten Gesellschaft stimmte dieser Strukturmaßnahme am 13.7.2000 zu. Deren ausscheidende Aktionäre erhielten u.a. ein Barabfindungsangebot in Höhe von 610 DM je Aktie, welches im Rahmen eines Vergleichs in einem Anfechtungsrechtsstreit auf 695 DM je Aktie erhöht worden ist. Die eingegliederte Gesellschaft wies ein Grundkapital von 262.614.700 DM auf, welches in 5.252.294 Aktien zum Nennbetrag von jeweils 50 DM eingeteilt war. Davon hielt die Hauptgesellschaft etwa 99 %.
Mehrere Antragsteller hielten auch dieses erhöhte Angebot für nicht angemessen und beantragten die Durchführung eines Spruchverfahrens. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 27.10.2006 die Abfindung auf 403,60 EUR für jede Inhaber- oder Namensaktie im Nennbetrag von 50 DM erhöht und die Verzinsung seit dem 24.9.2000 angeordnet.
Gegen diese Entscheidung legten verschiedene Verfahrensbeteiligte sofortige Beschwerde ein:
die Antragstellerin zu 1 |
am 17.11.2006 |
der Antragsteller zu 10 |
am 14.11.2006 |
der Antragsteller zu 13 |
am 16.11.2006 |
die Antragsgegnerin |
am 20.11.2006. |
Die Antragstellerin zu 4 legte Anschlussbeschwerde ein. Die Verfahrensbeteiligten verfolgen mit ihrem Rechtsmittel ihre erstinstanzlichen Verfahrensziele weiter. Darüber hinaus wendet sich die Antragsgegnerin gegen die Höhe des landgerichtlichen Geschäftswerts und gegen die festgesetzte Vergütung des Vertreters der außenstehenden Aktionäre.
Der Senat hat zu dem weiteren Vorbringen der Verfahrensbeteiligten in der Rechtsmittelinstanz eine ergänzende Stellungnahme der gerichtlichen Sachverständigen erholt und diese im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.6.2007 angehört.
II.
Die zulässigen Rechtsmittel haben in der Sache keinen Erfolg.
Der Senat hält nach Anhörung der gerichtlichen Sachverständigen die von Landgericht festgesetzte Abfindung von 403,60 EUR je Aktie für angemessen.
1.
Die ausgeschiedenen Aktionäre der eingegliederten Gesellschaft haben Anspruch auf angemessene Abfindung (§ 320b Abs. 1 Satz 1 AktG). Werden als Abfindung Aktien der Hauptgesellschaft gewährt, so ist die Abfindung als angemessen anzusehen, wenn die Aktien in dem Verhältnis gewährt werden, in dem bei einer Verschmelzung auf eine Aktie der Gesellschaft Aktien der Hauptgesellschaft zu gewähren wären, wobei Spitzenbeträge durch bare Zuzahlungen ausgeglichen werden können (§ 320b Abs. 1 Satz 4 AktG). Die Barabfindung muss die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung über die Eingliederung berücksichtigen (§ 320b Abs. 1 Satz 5 AktG). Die Unangemessenheit des Umtauschverhältnisses zwischen Aktien der eingegliederten Gesellschaft und der Hauptgesellschaft wird von den Antragstellern in der Rechtsmittelinstanz nicht gerügt. Hierzu enthält auch die Entscheidung des Landgerichts vom 27.10.2006 keinen Ausspruch.
a)
Angemessen ist eine Abfindung, die dem ausscheidenden Aktionär eine volle Entschädigung dafür verschafft, was seine Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist, die also dem vollen Wert seiner Beteiligung entspricht (BVerfGE 14, 263/284; 100, 289/304 f.; BayObLG NJW-RR 1996, 25/26; Hüffer AktG 7. Aufl. § 305 Rn. 18; MünchKomm AktG/Bilda 2. Aufl. § 305 Rn. 59). Zu ermitteln ist der Grenzpreis, zu dem der außenstehende Aktionär ohne Nachteil aus der Gesellschaft ausscheiden kann (BGHZ 138, 136/141). Für die nach § 320b AktG zu gewährende Barabfindung gelten keine anderen Grundsätze als die für Unternehmensverträge entwickelten (vgl. KK-AktG/Koppensteiner 3. Aufl. § 320b Rn. 10).
Der gemeinhin verwendete Begriff des Gre...