Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbständiges Beweisverfahren: Änderungsfrist für Streitwertfestsetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Bemessung des Streitwerts des selbständigen Beweisverfahrens ist auf den Erkenntnishorizont am Ende des selbständigen Beweisverfahrens bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung abzustellen. Gebührenrechtlich ist das selbständige Beweisverfahren eine selbständige Angelegenheit.(Rn. 12)
2. Die Änderungsfrist (Sechs-Monats-Frist) nach § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG für die Streitwertfestsetzung beginnt unabhängig davon, ob sich ein Klageverfahren anschließt mit der Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens.(Rn. 12)
Normenkette
GKG § 63 Abs. 3 S. 2; ZPO §§ 485-487
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 21.01.2021; Aktenzeichen 2 O 7290/09) |
LG München I (Beschluss vom 11.12.2020; Aktenzeichen 2 O 7290/09) |
Tenor
Die Beschwerde aus eigenem Recht des Beklagtenvertreters vom 12.01.2021 gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 11.12.2020 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Zwischen der Klägerin als Antragstellerin und den Beklagten führte das Landgericht München I von 2006 bis 2009 wegen Mängeln an einer Klimaanlage das selbständige Beweisverfahren, Az. 2 OH 13992/06. Das Landgericht stellte durch allseits akzeptierten Beschluss vom 04.03.2009 die Beendigung des Beweisverfahrens fest. Den Streitwert des Verfahrens bestimmte es am 17.07.2008 auf 100.000 EUR.
Im April 2009 erhob die Klägerin wegen der festgestellten Mängel und wegen Schäden gegen die Beklagten Klage auf Zahlung von 566.635,27 EUR (Landgericht München I, Az. 2 O 7290/09). Das Landgericht hat weiteren Zeugen- und Sachverständigenbeweis erhoben. Durch Endurteil vom 27.09.2019 hat es die Beklagten als Gesamtschuldner unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 153.387,56 EUR nebst Zinsen verurteilt. Den Streitwert des Klageverfahrens hat es auf 566.635,27 EUR festgesetzt.
Gegen das Urteil wandten sich die Beklagten mit der Berufung und die Klägerin mit der Anschlussberufung (OLG München, Az. 9 U 6272/19). Nach gerichtlichen Hinweisen nahmen die Beklagten durch Schriftsatz vom 22.07.2020 ihre Berufung zurück. Den Streitwert des Berufungsverfahrens setzte der Senat auf 263.129,43 EUR fest.
Mit Schriftsatz vom 26.10.2020 an das Landgericht beantragte der Beklagtenvertreter die Anhebung des Streitwerts des selbständigen Beweisverfahrens auf den Streitwert des erstinstanzlichen Klageverfahrens von 566.635,27 EUR.
Durch Beschluss vom 11.12.2020 lehnte das Landgericht das ab. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG erlaube eine Änderung des Streitwerts nur innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung oder anderweitigen Verfahrenserledigung. Das Beweisverfahren sei im März 2009 erledigt worden, so dass diese Frist längst abgelaufen sei.
Dagegen wendet sich der Beklagtenvertreter mit seiner Beschwerde aus eigenem Recht vom 12.01.2021 und begehrt weiterhin die Anhebung des Streitwerts des selbständigen Beweisverfahrens auf 566.635,27 EUR. Denn § 493 Abs. 1 ZPO mache das selbständige Beweisverfahren zum Bestandteil des anschließenden Klageverfahrens. Deshalb könne es nicht auf die anderweitige Verfahrenserledigung ankommen, sondern nur auf die Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung in Gestalt des Endurteils des Landgerichts vom 27.09.2019 infolge Berufungsrücknahme.
Das Landgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 21.01.2021 nicht abgeholfen.
II. Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Das selbständige Beweisverfahren ist ein eigenständiges Verfahren, selbst wenn § 493 Abs. 1 ZPO die erfolgte selbständige Beweiserhebung der Beweiserhebung im anschließenden Klageverfahren gleichstellt.
Nicht jedem selbständigen Beweisverfahren folgt ein Klageverfahren. Manchmal endet das selbständige Beweisverfahren durch Vergleich. Oft folgt kein Klageverfahren. Folgt ihm ein Klageverfahren, kann dessen Ergebnis ganz anders sein, als das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens. Etwa im Beweisverfahren festgestellte Mangelbeseitigungskosten können nach weiterer Vertiefung des Themas im Hauptsacheverfahren ein Vielfaches betragen, beispielsweise weil die inzwischen geänderten allgemein anerkannten Regeln der Technik eine viel aufwändigere Ausführung verlangen oder schlicht die Baupreise stark gestiegen sind. Dies kann gerade bei langdauernden Klageverfahren geschehen, hier immerhin ein Zeitraum von 2009 bis 2020.
Den Streitwert für ein selbständiges Beweisverfahren von der Zufälligkeit eines sich möglicherweise anschließenden Klageverfahrens abhängig zu machen, erscheint nicht überzeugend. Der Antragsteller eines selbständigen Beweisverfahrens muss sein Kostenrisiko wenigstens ungefähr einschätzen können, beispielsweise um zu entscheiden, ob er es fortführen oder beenden will. Würde man auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des Hauptsacheprozesses abstellen, wäre das Kostenrisiko kaum ex ante einzuschätzen. Noch unvorhersehbarer würde die Situation, wenn der Unternehmer als Antragsteller die Mangelfreiheit seiner Werkle...