Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen für die Durchführung des Aufgebotsverfahrens durch einen Nachlasspfleger zum Zwecke der Kraftloserklärung eines Grundschuldbriefs.

 

Normenkette

BGB § 1821 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 1915 Abs. 1 S. 1, § 1960 Abs. 2; FamFG § 59 Abs. 1, § 434 Abs. 1, § 467 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG München (Aktenzeichen 103 UR II 222/19)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts München vom 8. Januar 2020 aufgehoben.

II. Das Amtsgericht wird angewiesen, den Antrag auf Durchführung des Aufgebotsverfahrens nicht aus den Gründen des aufgehobenen Beschlusses zurückzuweisen.

 

Gründe

I. Der Beteiligte begehrt in seiner Eigenschaft als Nachlasspfleger die Durchführung eines Aufgebotsverfahrens zu dem Zweck, einen Grundschuldbrief für kraftlos erklären zu lassen.

Das Amtsgericht bestellte am 10.3.2008 den Beteiligten zum Nachlasspfleger für die unbekannten Erben der am XX.X.XXXX verstorbenen Erblasserin mit dem Wirkungskreis Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie Ermittlung der Erben. Zum Nachlass gehört eine Immobilie, an der im Wohnungsgrundbuch eine Grundschuld mit dem Betrag von 39.500 DM für eine Kreditbank eingetragen ist. Das der Grundschuld zugrundeliegende Darlehen ist vollständig getilgt. Die Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Gläubigerin erteilte am 23.1.2019 eine Ersatzlöschungsbewilligung. Der nach der Darlehenstilgung an die Erblasserin mit der ursprünglichen Bewilligung übersandte Grundschuldbrief ist wie diese nicht auffindbar.

Der Beteiligte hat mit Schreiben vom 19.8.2019 beantragt, den Grundschuldbrief im Wege des Aufgebotsverfahrens für kraftlos zu erklären. Als Vorbereitung der Erbauseinandersetzung solle die Immobilie lastenfrei gestellt und daher die Grundschuld gelöscht werden.

Auf einen formlosen Hinweis des Amtsgerichts hin hat der Beteiligte mit Schreiben vom 30.9.2019 an Eides statt versichert, dass ihm nicht bekannt sei, dass der Grundschuldbrief abgetreten, verpfändet oder gepfändet wurde, weiter dass ihm nicht bekannt sei, wo sich der Brief befinde, und dass der Brief trotz intensiver Suche im Nachlass nicht aufgefunden werden konnte.

Das Amtsgericht hat gleichwohl den Antrag durch Beschluss vom 8.1.2020, dem Beteiligten zugestellt am 15.1.2020, zurückgewiesen. Der Nachlasspfleger habe lediglich den Nachlass zu sichern und zu erhalten sowie notwendige Handlungen vorzunehmen. Dem Interesse etwaiger Erben an einer raschen und unkomplizierten Erbauseinandersetzung zu dienen sei nicht die Aufgabe des Nachlasspflegers. Hinzu komme, dass die Erblasserin vor zehn Jahren verstorben sei und bislang keine Erben hätten ermittelt werden können, so dass ein Rechtsschutzbedürfnis für ein nunmehr beantragtes Aufgebotsverfahren fehle. Die Notwendigkeit einer nachlassgerichtlichen Genehmigung nach § 1821 BGB könne daher dahingestellt bleiben.

Mit Telefax vom 13.2.2020, bei Gericht eingegangen am selben Tag, hat der Beteiligte Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den Beschluss aufzuheben und das Amtsgericht anzuweisen, das Aufgebotsverfahren zur Kraftloserklärung des abhanden gekommenen Grundschuldbriefs durchzuführen. Lägen die Voraussetzungen für ein Aufgebotsverfahren vor, nämlich Antragsberechtigung und -begründetheit, sei es durchzuführen. Es gehe um eine vorgezogene Klärung von zweifelsfrei früher oder später auftretenden Problemen. Entschließe sich der Erbe nämlich z.B. für einen Verkauf des Objektes, sei dieses im Normalfall lastenfrei zu stellen. Hierzu sei die Vorlage des Briefs notwendig. Ein schutzwürdiges Interesse könne daher dem Antrag nicht abgesprochen werden, ebensowenig, dass das Aufgebotsverfahren jetzt durchgeführt werden solle. Als Nachlasspfleger unterliege er allein der Aufsicht des Nachlassgerichts, für den aus einer Pflichtverletzung entstandenen Schaden hafte er den Erben. Das Gericht führe Überlegungen und Rechtsfragen in das Verfahren ein, für die es nicht zuständig sei.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 23.4.2020 nicht abgeholfen und dabei auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Das Oberlandesgericht ist gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG für die Entscheidung über das Rechtsmittel zuständig.

2. Die Beschwerde ist zulässig.

a) Sie ist das gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Amtsgerichts in Aufgebotssachen nach §§ 433 ff. FamFG.

b) Beschwerdeberechtigt ist gemäß § 59 Abs. 1 FamFG derjenige, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist, im Antragsverfahren gemäß Abs. 2 der Vorschrift nur der Antragsteller.

Beschwerdeführer ist hier der unbekannte Erbe, der durch den Beteiligten in dessen Eigenschaft als gemäß § 1960 Abs. 2 BGB bestellter Nachlasspfleger vertreten wird (vgl. BGH NJW 2005, 756/758; MüKoBGB/Leipold 8. Aufl. § 1960 Rn. 39). Die Beschwerdeberechtigung des Erben i.S.v. § 59 Abs. 1 BGB fließt aus der Antragsberechtigung nach § 467 Abs. 2 FamFG. Diese steht zwar nach dem Gesetzeswortlaut unmittelba...

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