Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 13.07.2010; Aktenzeichen 7 O 4045/10)

 

Tenor

Unter Abänderung des Beschlusses des LG München I vom 13.7.2010 wird die Kostenbeamtin beim LG München I angewiesen, die Kostenrechnung I vom 27.4.2010/8.6.2010 (KSB: 623101880008) dahin abzuändern, dass gegen die Antragstellerin eine Festgebühr i.H.v. 200 EUR angesetzt wird.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin ist Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an einer im Internet veröffentlichten Tonaufnahme. Ein von der Antragstellerin beauftragtes Unternehmen hat festgestellt, dass diese Tonaufnahme über sog. Peer-to-Peer Netzwerke (Internettauschbörsen) zahlreichen Nutzern von Internetanschlüssen, die von der Antragsgegnerin als Provider zur Verfügung gestellt werden, zum Download angeboten und damit rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht worden ist. Die Antragstellerin hat gem. § 101 Abs. 9 UrhG beantragt, der Antragsgegnerin zu gestatten, ihr Auskunft darüber zu erteilen, welchem Kunden (Name und Anschrift) zu den in der Anlage zur Antragsschrift bezeichneten Zeitpunkten die ebenfalls dort benannten IP-Adressen zugeordnet gewesen sind. In der besagten Anlage sind zudem die in einem bestimmten Zeitraum heruntergeladenen Dateien durch die Angabe des sog. "Hashwertes", der ihre Identifizierung erlauben soll, gekennzeichnet. Das LG München I hat mit Beschluss vom 23.3.2010 die begehrte Anordnung antragsgemäß erlassen. In den Gründen des Beschlusses hat das LG ausgeführt, das geschützte Werk sei unter sechs abweichenden Hashwerten illegal angeboten worden. Mit der Kostenrechnung vom 27.4.2010 hat die Kostenbeamtin beim LG von der Antragstellerin Gerichtskosten im Gesamtbetrag von 1.200 EUR (6 × die Festgebühr von 200 EUR) eingefordert. Die gegen den Gerichtskostenansatz gerichtete Erinnerung der Antragstellerin hat das LG mit richterlichem Beschluss vom 13.7.2010 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie eine Festsetzung der Gerichtskosten auf nur 200 EUR begehrt. Zur Begründung wird ausgeführt, das LG habe zu Unrecht die Auffassung vertreten, die Antragstellerin habe sechs getrennte Anträge gestellt und diese lediglich formal in einer Antragsschrift zusammengefasst. Dies ergebe sich bereits daraus, dass das LG nicht sechs Gestattungsanordnungen, sondern nur einen Beschluss gem. § 101 Abs. 9 UrhG erlassen habe. Zutreffend weise das Gericht noch darauf hin, dass der Zweck des § 128e KostO darin bestehe, dem Arbeitsaufwand des Gerichts Rechnung zu tragen. Gerade dieser Arbeitsaufwand wäre aber dann gestiegen, wenn die Antragstellerin sechs Anträge getrennt nach Hashwerten gestellt hätte.

Dem Antrag liege zudem entgegen der Auffassung des Erstgerichts ein einheitlicher Lebenssachverhalt zugrunde, nachdem es sich in allen festgestellten Fällen um die Verletzung von Rechten der Antragstellerin an derselben Tonaufnahme handle. Dass die betroffenen Dateien unterschiedliche Hashwerte aufwiesen, sei allein technisch bedingt und lasse weder den Schluss zu, dass es sich um inhaltlich unterschiedliche Tonaufnahmen gehandelt habe noch folge daraus, dass die Verletzungshandlungen von unterschiedlichen Personen begangen worden seien. Durch die netzförmige Kommunikation in Tauschbörsen sei es nämlich sehr wohl möglich, dass ein und derselbe Anbieter Datenpakete desselben Musiktitels mit verschiedenen Hashwerten gleichzeitig öffentlich zugänglich mache. Wenn die pauschale Gebühr von 200 EUR mit der Zahl der festgestellten Hashwerte multipliziert werde, bestehe die Gefahr einer Kostenexplosion. Dies wäre aber nicht mit dem Ziel der Richtlinie 2004/48/EG vom 29.4.2004 vereinbar, zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums Verfahren zu schaffen, die nicht unnötig kompliziert und kostspielig seien.

II. Die gem. § 14 Abs. 3 Satz 1 KostO zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Für den im vorliegenden Verfahren gestellten Antrag auf Erlass einer Anordnung gem. § 101 Abs. 9 UrhG (Auskunft über Verkehrsdaten) ist im Einklang mit der Stellungnahme des Vertreters der Staatskasse nur eine Festgebühr i.H.v. 200 EUR gem. § 128e Abs. 1 Nr. 4 KostO gegen die Antragstellerin festzusetzen.

1. Das LG begründet den mehrfachen Anfall der Festgebühr gem. § 128e Abs. 1 Nr. 4 KostO mit der Erwägung, es liege nicht deswegen ein einzelner Antrag vor, weil es sich rein formal betrachtet lediglich um eine Antragsschrift handle. Nach mittlerweile gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung sei das Wort Antrag nicht derart formal zu verstehen. Vielmehr ergebe sich die Zahl der Anträge aus dem Inhalt des jeweiligen Begehrens. Die Anzahl der Anträge folge also nach allgemeinen prozessrechtlichen Grundsätzen der Anzahl der Streitgegenstände. Diese würden wiederum durch die gestellten Anträge und den zu ihrer Begründung vorgebrachten Lebenssachverhalt bestimmt. Wenn zwar die Verletzung lediglich eines Schutzrechts an nur einem Werk geltend gemacht, das Begehren aber auf die Verletzung des S...

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