Leitsatz (amtlich)
Im Verfahren über die Ablehnung des Sachverständigen ist der Beschwerdewert nicht nach § 48 II 1 GKG zu bestimmen, sondern gem. § 3 ZPO mit rund einem Drittel des Haupsachestreitwerts anzusetzen (Anschluss an BGH, Beschl. v. 15.12.2003 - II ZB 32/03).
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 26.03.2010; Aktenzeichen 28 O 9474/06) |
Tenor
1. Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist betreffend den Beschluss des LG München I vom 26.3.2010 (Bl. 335 d.A.) wird zurückgewiesen.
2. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 11.5.2010 (Bl. 342 d.A.) gegen den Beschluss des LG München I vom 26.3.2010 (Bl. 335 d.A.) wird verworfen.
3. Die Beklagten haben die Kosten ihrer sofortigen Beschwerde zu tragen.
4. Der Beschwerdewert wird auf 198.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit Schriftsatz vom 3.3.2010 (Bl. 315 ff. d.A.), in der Begründung ergänzt durch Schriftsatz vom 5.3.2010 (Bl. 323 ff. d.A.), haben die Beklagten durch ihre Prozessbevollmächtigten "beantragt, den Sachverständigen S. aus Gründen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen." Diesen Antrag hat das LG (nach Anhörung des Sachverständigen und der Klagepartei, Vfg. v. 9.3.2010, Bl. 329 d.A.) mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss, der den Prozessbevollmächtigten der Beklagten ausweislich deren Empfangsbekenntnisses (nach Bl. 335 d.A.) am 1.4.2010 zugestellt wurde, hat die Beklagtenpartei mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 11.5.2010, eingegangen per Fax am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
II. Die dem Grunde nach statthafte sofortige Beschwerde der Beklagten ist zu verwerfen, da die Beschwerdefrist von 2 Wochen gem. §§ 406 Abs. 5, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO versäumt ist. Das Beschwerdeschreiben ist erst nach Ablauf der mit der Zustellung einsetzenden zweiwöchigen Beschwerdefrist bei Gericht eingegangen. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bestehen nicht.
1. Zur Wiedereinsetzung tragen die Beklagten - durch eidesstattliche Versicherungen der Rechtsanwaltsfachangestellten B. und L. glaubhaft gemacht - im Wesentlichen vor, die Rechtsanwaltsfachangestellte B. habe bei Eingang des angefochtenen Beschlusses übersehen, dass es sich hierbei um einen mit sofortiger Beschwerde anfechtbaren Beschluss handelt, und habe deshalb den erforderlichen Eintrag im Terminsbuch versäumt. Der zur Kontrolle der Rechtsanwaltsfachangestellten B. allgemein eingesetzte Rechtsanwaltsfachangestellte L. habe übersehen, dass hinsichtlich des Beschlusses ein Eintrag im Terminsbuch nicht erfolgt sei.
Dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt sei die Akte erst am 28.4.2010 wegen einer Besprechung mit dem Beklagten zu 2) vorgelegt worden; erst bei dieser Aktenvorlage sei das Versäumnis aufgefallen. Im Übrigen wird hinsichtlich der Begründung des Wiedereinsetzungsantrages auf den Schriftsatz vom 11.5.2010, dort Bl. 2 - 4 (...) verwiesen.
Hiernach ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zwar zulässig (§§ 234, 236 ZPO), aber unbegründet, weil die Beklagten nicht "ohne ihr Verschulden" i.S.v. § 233 ZPO, sondern aufgrund ihnen zuzurechnenden Verschuldens ihrer Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) die Beschwerdefrist versäumt haben.
a) Ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten ist schon darin zu sehen, dass der oder die das genannte Empfangsbekenntnis Zeichnende, bei dem oder der es sich zwingend um einen Rechtsanwalt/eine Rechtsanwältin - nicht um einen Angehörigen des Büropersonals -gehandelt haben muss (§ 174 Abs. 1 ZPO; Thomas/Putzo - Hüsstege, ZPO, 30. Aufl., § 174 Rz. 14), seiner Pflicht nicht nachgekommen ist, selbst zu untersuchen oder bei Unterzeichnung zu überprüfen, was das Büropersonal bei der Eintragung im Fristenkalender veranlasst oder überprüft hat (Thomas/Putzo - Hüsstege, a.a.O., § 233 Rz. 49). Wäre der Anwalt dieser Pflicht nachgekommen, hätte er festgestellt, dass überhaupt keine Eintragung im Fristenkalender vorgenommen wurde.
Ein weiteres Verschuldenselement der Prozessbevollmächtigten ist in diesem Zusammenhang darin zu sehen, dass in ihrem Büro offenkundig schon keine Anweisung dahin besteht, dass der Posteingang überhaupt dem Anwalt umgehend vorgelegt wird. Anders ist das Vorbringen der Beklagtenseite nicht zu verstehen. Insbesondere ist anderweit nicht erklärlich, warum die Akte mit dem angefochtenen Beschluss erst anlässlich einer Besprechung mit dem Mandanten vorgelegt wurde, nicht aber schon aufgrund der Tatsache überhaupt, dass ein - überdies gerichtliches - Schriftstück eingegangen war.
Es ist somit davon auszugehen, dass der Anwalt oder die Anwältin das Empfangsbekenntnis ohne Kenntnis des zugestellten Schriftstücks unterzeichnet hat.
b) Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass den Prozessbevollmächtigten der Beklagten außerdem hinsichtlich des Verhaltens des Personals eine Aufsichtspflichtverletzung bzw. ein Organisationsmangel vorzuwerfen ist.
aa) Es ist nämlich ...