Leitsatz (amtlich)

Sind in einem Erbvertrag die beiden Kinder eines der Erblasser als Schlusserben und zudem gegenseitig als Ersatzerben eingesetzt und sind beide Kinder vorverstorben, so hindert dies die Anwendung von § 2069 BGB nicht, wenn die vorrangige individuelle Auslegung zu keinem zweifelsfreien Ergebnis führt.

 

Normenkette

BGB §§ 2069, 2270, 2289

 

Verfahrensgang

AG München (Beschluss vom 18.03.2011; Aktenzeichen 64 VI 15581/10)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3 gegen den Beschluss des AG München vom 18.3.2011 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten zu 2 und 3 haben die dem Beteiligten zu 1 im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens wird auf 229.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Erblasserin ist am 8.12.2010 verstorben. Ihr erster Ehemann wird seit dem Krieg vermisst, ihr einziger Sohn aus dieser Ehe verstarb noch als Säugling.

In zweiter Ehe war sie mit G. L. verheiratet. Diese Ehe blieb ohne Kinder. Ihr Ehemann hatte aus erster Ehe die Söhne G. L. jun., dessen einziges Kind der Beteiligte zu 1 ist, sowie O. L., dessen Kinder die Beteiligten zu 2 und 3 sind.

Noch als der zweite Ehemann der Erblasserin in erster Ehe verheiratet war, errichtete er zusammen mit der Erblasserin am 20.10.1961 einen Erbvertrag. In diesem Erbvertrag setzten sich die beiden gegenseitig als Alleinerben ein. Als Erben des Überlebenden bestimmten sie die zwei Kinder des G. L. zu gleichen Teilen. Zudem bestimmten sie, dass die beiden Söhne des G. L. gegenseitig auch Ersatzerben sein sollten.

Der zweite Ehemann der Erblasserin verstarb im Jahre 1977, dessen Söhne G. L. jun. im Jahr 1989 und O. L. 1995.

Am 21.1.2009 errichtete die Erblasserin ein notarielles Testament, in dem sie einen Enkel des verstorbenen zweiten Ehemannes, den Beteiligten zu 1, als Alleinerben einsetzte. Dieser beantragte am 7.3.2011 die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben ausweist. Er ist der Meinung, für die Erbfolge sei das Testament vom 21.1.2009 maßgeblich. Dem widersetzten sich die Beteiligten zu 2 und 3. Nach ihrer Ansicht ergebe sich die Erbfolge von je 1/3 für die Enkel des G. L., also die Beteiligten zu 1 bis 3, als Ersatzerben aus dem Erbvertrag, der entsprechend ergänzend auszulegen sei.

Das AG erließ am 18.3.2011 einen Beschluss, wonach dem Beteiligten zu 1 ein Erbschein als Alleinerbe zu erteilen sei.

Gegen den Beschluss legten die Beteiligten zu 2 und 3 mit Anwaltsschriftsatz vom 2.5.2011 Beschwerde ein, der das AG nicht abhalf.

II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Senat teilt zwar nicht die Auffassung des AG, dass die Parteien des Erbvertrages die Anwendbarkeit von § 2069 BGB auch für den hier eingetretenen Fall des Vorversterbens beider Söhne ausschließen wollten, gelangt aber zum gleichen Ergebnis, weil die Ersatzberufung der Enkel über § 2069 BGB nicht vertragsmäßig bindend ist.

1. Es ist schon zweifelhaft, ob für den hier eingetretenen Fall, dass beide Söhne vorversterben, überhaupt eine planwidrige Regelungslücke im Erbvertrag vorliegt, die einer ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich ist. Jedenfalls kann eine Ersatzberufung aller Enkel nur über § 2069 BGB, nicht aber im Wege individueller Auslegung festgestellt werden.

a) Richtig ist der Vortrag der Beschwerdeführer, dass der Erbvertrag eine Regelung für den Fall des Vorversterbens beider Söhne, die als Schlusserben bedacht sind, nicht enthält. Daraus kann aber nicht zwingend eine Regelungslücke entnommen werden, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen wäre. Die Regelungslücke müsste nämlich auch planwidrig sein (Palandt/Weidlich, BGB, 70. Aufl., § 2084 Rz. 8). Haben die Vertragsparteien des Erbvertrags bewusst eine weitere Regelung nicht getroffen, so kommt eine ergänzende Auslegung nicht in Betracht.

Die Vertragsparteien waren bei Abschluss des Vertrags notariell beraten und haben eine Regelung für das Vorversterben eines Sohnes getroffen. Den Vertragschließenden war auch der geringe Altersunterschied der als Schlusserben eingesetzten Söhne und der Erblasserin von nur 8 bzw. 10 Jahren bewusst. Es kann daher nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Vertragspartner ein Vorversterben beider Söhne nicht in Erwägung gezogen haben. Auch die Beschwerdeführerinnen vermuten dies nur.

Im Fall des Vorversterbens eines Sohnes sollte ausdrücklich der zweite Sohn des späteren Ehemannes der Erblasserin Ersatzerbe werden, so dass die Zweifelsregelung des § 2069 BGB in diesem Fall nicht greifen sollte. Die Kinder des Vorversterbenden waren für diesen Fall als Ersatzerben ausgeschlossen. Aus dieser Regelung ist der - von den Beschwerdeführern behauptete - Wunsch der Vertragsparteien gerade nicht zu entnehmen, dass auf alle Fälle die beiden Stämme der Nachkommen des späteren Ehemannes der Erblasserin am Nachlass beteiligt werden sollten. Diese Regelung erfolgte nämlich, obwohl die Kinder des G. L. sen. schon selbst jeweils Kinder hatten.

b) Das Gericht kann auch nicht hi...

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