Leitsatz (amtlich)
Zur Auslegung einer Pflichtteilsklausel (Verwirkungsklausel) im Berliner Testament, wenn ein als Schlusserbe eingesetzter Abkömmling nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils dem überlebenden Elternteil die Zahlung des Pflichtteils als Darlehen hochverzinslich stundet und diesen Anspruch durch eine Grundschuld absichern lässt. Ein solches Verhalten kann als "Verlangen des Pflichtteils" ausgelegt werden.
Normenkette
BGB §§ 2075, 2269-2270
Verfahrensgang
LG Augsburg (Beschluss vom 16.12.2005; Aktenzeichen 5 T 4811/04) |
AG Augsburg (Aktenzeichen VI 106/04) |
Tenor
Die weiteren Beschwerden des Beteiligten zu 2) und der Beteiligten zu 3) gegen den Beschluss des LG Augsburg vom 16.12.2005 werden zurückgewiesen.
Gründe
I. Die verwitwete Erblasserin ist am 30.12.2003 im Alter von 90 Jahren verstorben. Ihr Ehemann ist am 26.4.1981 vorverstorben. Aus der Ehe der Erblasserin stammen drei Kinder, die Beteiligten zu 1) bis 3).
Am 10.12.1977 errichteten die Ehegatten ein handschriftliches gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten und ferner bestimmten:
"Das gesetzliche Pflichtteil ist erst nach Ableben des zweiten Elternteils fällig. Sollte einer der Berechtigten dasselbe nach Ableben des ersten Elternteils verlangen, so scheidet er von vornherein aus der endgültigen Verteilung der Erbmasse aus."
Am 20.5.1980 verfassten die Eheleute ein weiteres handschriftliches gemeinschaftliches Testament, das wörtlich dem vom 10.12.1977 entspricht, jedoch noch die weitere Bestimmung enthält:
"Unser Sohn H.V. "... soll. .." aus unserem Erbe nichts erhalten..."
Am 28.7.1980 erklärte der Beteiligte zu 1) mit notarieller Urkunde ggü. seinen Eltern einen Verzicht auf seine gesetzlichen Pflichtteilsansprüche für sich und seine Abkömmlinge. Am 1.9.1996 erklärten die Erblasserin und der Beteiligte zu 1) handschriftlich den Widerruf des erklärten "Erbteilverzichts".
Am 3.12.1981 schloss die Erblasserin mit der Beteiligten zu 3) eine "Vereinbarung über einen Pflichtteilsanspruch", in der die Erblasserin den Pflichtteilsanspruch der Beteiligten zu 3) dem Grunde und der Höhe nach anerkannte und die Parteien eine Stundung des Anspruchs bis zum Tod der Erblasserin sowie eine Verzinsung des Anspruchs i.H.v. 9, 5 % ab Oktober 1981 vereinbarten. Eine entsprechende Vereinbarung schloss die Erblasserin auch mit dem Beteiligten zu 2).
Am 23.12.1981 wurde zugunsten des Beteiligten zu 2) eine Grundschuld über 15.000 DM und eine weitere Grundschuld zugunsten der Beteiligten zu 3) über 25.000 DM, jeweils jährlich zu verzinsen mit 9,5 %, zu Lasten des Grundstücks der Erblasserin eingetragen. Zusätzlich erhielt der Beteiligte zu 2) von der Erblasserin 10.000 DM.
Am 7.3.1983 errichtete die Erblasserin ein notarielles Testament, in dem sie die Beteiligten zu 1) bis 3) als Erben zu gleichen Teilen einsetzte.
Am 20.11.1996 errichtete die Erblasserin ein weiteres notarielles Testament, in dem sie alle bisherigen letztwilligen Verfügungen aufhob und den Beteiligten zu 1) als ihren Alleinerben und die Beteiligten zu 2) und 3) als Ersatzerben einsetzte sowie als Vermächtnis die Erfüllung der Pflichtteilsansprüche der Beteiligten zu 2) und 3)) am Nachlass ihres verstorbenen Ehemannes anordnete.
Die Beteiligten haben widersprechende Erbscheinsanträge gestellt. Der Beteiligte zu 1) hat die Erteilung eines Alleinerbscheins aufgrund des Testaments vom 20.11.1996 beantragt. Der Beteiligte zu 2) hat die Erteilung eines Alleinerbscheins aufgrund des handschriftlichen Testaments vom 20.5.1980 beantragt. Nach seinem Vortrag habe er den Pflichtteil nicht verlangt, die Erblasserin habe ihm 10.000 DM nach dem Tod des Vaters für einen Hausbau geschenkt und ihm die Eintragung einer Grundschuld über 15.000 DM aus Gleichbehandlungsgründen mit seiner Schwester angeboten.
Die Beteiligte zu 3) hat die Erteilung eines Alleinerbscheins aufgrund des Testaments vom 20.5.1980 beantragt. Nach ihrer Ansicht habe sie den Pflichtteil nicht verlangt, sondern ihn wegen drohender Verjährung nur grundbuchmäßig absichern wollen.
Mit Beschl. v. 20.9.2004 hat das AG - Nachlassgericht - Augsburg im Wege des Vorbescheids angekündigt, einen Erbschein zu erteilen, der den Beteiligten zu 1) aufgrund des Testaments vom 20.11.1996 als Alleinerben ausweist; gleichzeitig hat es den Antrag der Beteiligten zu 3) auf Erteilung eines Alleinerbscheins zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Beteiligte zu 3) unzweifelhaft nach dem Tod des Erstversterbenden ihren Pflichtteil geltend gemacht habe, daher könne nur der Antrag des Beteiligten zu 1) Erfolg haben.
Die gegen diesen Beschluss gerichteten Beschwerden des Beteiligten zu 2) und der Beteiligten zu 3) hat das LG mit Beschl. v. 16.12.2005 zurückgewiesen, nachdem es zwei Zeugen vernommen und zweimal die drei Beteiligten angehört hatte. Gegen diesen Beschluss richten sich jeweils die weiteren Beschwerden des Beteiligten zu 2) und der Beteiligten zu 3).
II. Die weiteren Beschwerden sind zulässig, jedoch n...