Leitsatz (amtlich)
Dem einzelnen Wohnungseigentümer steht ein Anspruch auf Einsichtnahme in alle der Jahresabrechnung zugrunde liegenden Verwaltungsunterlagen zu. Er ist berechtigt, gegen Kostenerstattung die Anfertigung von Kopien hinreichend genau bezeichneter Belege vom Verwalter zu verlangen. Die Forderung, alle Belege eines Wirtschaftsjahres gegen Kostenerstattung kopiert und zugesandt zu bekommen, kann im Einzelfall gegen das Schikane- und Missbrauchsverbot verstoßen.
Normenkette
WEG § 28 Abs. 3; BGB § 242
Verfahrensgang
LG Traunstein (Beschluss vom 23.01.2006; Aktenzeichen 4 T 3179/05) |
AG Mühldorf a. Inn (Aktenzeichen 1 UR II 0005/05) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des LG Traunstein vom 23.1.2006 aufgehoben, soweit darin der gegen die Antragstellerin gerichtete Gegenantrag auf Fertigung und Aushändigung von Kopien sämtlicher Belege (einschl. Kontoauszüge) zur Abrechnung des Wirtschaftsjahres 2002 gegen Kostenerstattung abgewiesen wird.
II. Im Umfang der Aufhebung wird das Verfahren zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG Traunstein zurückverwiesen.
III. Im Übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des LG Traunstein vom 23.1.2006 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Gegenantrag gegen den Gegenantragsgegner zu 2) als unzulässig verworfen wird.
IV. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
V. Der Geschäftswert für das Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 2.035 EUR festgesetzt. Die Geschäftswertfestsetzung des LG wird insoweit aufgehoben.
Gründe
I. Der Antragsgegner ist Mitglied einer größeren Wohnungseigentümergemeinschaft, die von der Antragstellerin verwaltet wird. Der Gegenantragsgegner zu 2) ist der Geschäftsführer der Antragstellerin.
In der Eigentümerversammlung vom 9.5.2003 wurde unter Tagesordnungspunkt (TOP) 3 die Jahresgesamt- und Einzelabrechnung der Wirtschaftskosten für das Jahr 2002 beschlossen. Für den Antragsgegner ergibt sich hieraus eine Nachzahlung von 1.535,28 EUR. Der Beschluss wurde bestandskräftig. Der Antragsgegner bezahlte nicht. Das AG hat ihn mit Beschluss vom 18.7.2005 auf Antrag der Antragstellerin, die in Prozessstandschaft für die Eigentümergemeinschaft tätig wurde, zur Zahlung des rückständigen Wohngeldes einschließlich Zinsen seit dem 21.6.2003 verpflichtet.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Daneben hat er beim LG Gegenantrag gegen die Antragstellerin sowie deren Geschäftsführer persönlich gestellt. Er begehrt die Verpflichtung beider zur Herausgabe aller der Jahresabrechnung für 2002 zugrunde liegenden Belege in Kopie gegen Erstattung der Kosten. Das LG hat den Gegenantrag als sachdienlich zugelassen und den Antragsgegner mit Beschluss vom 23.1.2006 zur Zahlung des Wohngeldes nebst Zinsen seit dem 31.7.2003 verpflichtet und die sofortige Beschwerde im Übrigen sowie den Gegenantrag abgewiesen. Die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten hat es dem Antragsgegner auferlegt einschließlich der durch den Gegenantrag entstandenen Kosten. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners.
II. Das Rechtsmittel ist zulässig und in der Sache teilweise vorläufig erfolgreich.
1. Das LG hat ausgeführt:
Die Höhe des geltend gemachten Anteils der Bewirtschaftungskosten ergebe sich aus dem bestandskräftigen Beschluss der Eigentümerversammlung vom 9.5.2003, die Verpflichtung zur Tragung der Verzugszinsen aus § 286 Abs. 1 S. 2 BGB. Nach Zustellung des Mahnbescheids am 31.7.2003 habe sich der Antragsgegner in Verzug befunden. Der Widerantrag des Antragsgegners sei sachdienlich, allerdings unbegründet.
Eine Anspruchsgrundlage für die Verpflichtung zur Fertigung von Kopien und Versendung derselben sei nicht ersichtlich.
2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung hinsichtlich der Verpflichtung zur Bezahlung des Wohngeldes stand.
a) Die Antragstellerin ist zur Geltendmachung des Wohngeldanspruchs im eigenen Namen in Prozessstandschaft für die Wohnungseigentümergemeinschaft berechtigt. Die
Verfahrensführungsbefugnis hierzu ergibt sich aus dem zunächst bis 31.10.1999 laufenden Verwaltervertrag vom 6.2.1995, der durch die Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 27.7.1999 (bis 31.10.2004) und 27.7.2004 (bis 31.10.2007) verlängert wurde. Im Verwaltervertrag ist zwar in § 2.25 nur von einer Ermächtigung zur Geltendmachung "im Namen aller Wohnungseigentümer" die Rede. Die Regelung übernimmt damit den Wortlaut der gesetzlichen Regelung aus § 27 Abs. 2 WEG. Diese umfasst sowohl die Möglichkeit der Bevollmächtigung, wie auch die Verfahrensstandschaft des Verwalters, also die Geltendmachung des Anspruchs im eigenen Namen. Was im konkreten Fall gewollt ist, muss also durch Auslegung ermittelt werden (KK-WEG/Abramenko, § 27 Rz. 40).
Nach § 2.2 des Verwaltervertrages ist die Verwalterin mit umfassenden Befugnissen ausgestattet, um die genannten Ve...