Leitsatz (amtlich)

Im Erbscheinserteilungsverfahren erhält der Rechtsanwalt, der einen Beteiligten im Verfahren der Beschwerde vertritt, nur eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 RVG-VV.

 

Normenkette

RVG-VV Nr. 3200; RVG-Vv Nr. 3500

 

Verfahrensgang

AG München (Beschluss vom 26.05.2010)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des AG München vom 26.5.2010 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 1 trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und hat die der Beteiligten zu 2 im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.612 EUR festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Das OLG hat mit Beschluss vom 22.4.2010 (Az.: 31 Wx 011/10) die Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des AG, dem Beteiligten zu 1 einen Erbschein zu erteilen, zurückgewiesen und der Beteiligten zu 2 die dem Beteiligten zu 1 im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten auferlegt. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wurde auf 425.000 EUR festgesetzt.

Der Beteiligte zu 1 hat am 3.5.2010 beim AG die Festsetzung von Kosten seiner anwaltlichen Bevollmächtigten i.H.v. 5.278,84 EUR beantragt, berechnet aus einer 1,6-Verfahrensgebühr gem. § 13 RVG, Nr. 3200 RVG-VV (4.416 EUR), einer Pauschale gem. Nr. 7002 RVG-VV (20 EUR) für Post und Telekommunikation sowie 19 % Mehrwertsteuer gem. Nr. 7008 RVG-VV (842,84 EUR).

Die Rechtspflegerin hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.5.2010 abweichend vom Antrag nur eine Gebühr nach Nr. 3500 RVG VV (0,5) zuerkannt. Die zu erstattenden Kosten des Beteiligten zu 1 wurden demzufolge auf 1.666 EUR festgesetzt. Hiergegen richtet sich die am 8.6.2010 eingegangene sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1, der nicht abgeholfen wurde. Die Beteiligte zu 2 beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II. Das als sofortige Beschwerde zulässige Rechtsmittel (§ 85 FamFG i.V.m. § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das AG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die zu erstattende Verfahrensgebühr im Verfahren der Beschwerde gegen eine Erbscheinserteilung nur das 0,5-fache und nicht das 1,6-fache der Gebühr nach § 13 RVG beträgt. Nr. 3200 zu § 2 Abs. 2 RVG ist neben den Berufungsverfahren nach der Vorbemerkung 3.2.1. des 1. Abschnitts Unterabschnitt 2 nur auf die dort enumerativ aufgezählten ("bestimmten") Beschwerden und Verfahren anzuwenden (OLG München NJW-RR 2006, 1727; OLG Karlsruhe vom 3.6.2008 - 11 Wx 143/06 = BeckRS 2009, 26909; OLG Schleswig ZEV 2006, 366; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt RVG 19. Aufl. VV Nr. 3500 Rz. 6; Göttlich/Mümmler RVG 3. Aufl. Stichwort: Erbschein Ziff. 1; Hartmann Kostengesetze 40. Aufl. RVG VV 3500 Rz. 3; a.A. Ruby ZEV 2006, 367; Rohlfing/Trappe, ErbR 2010, 83). Im Übrigen gilt die Auffangvorschrift von Nr. 3500 RVG-VV.

Da der Gesetzgeber alle in Nr. 3200 RVG-VV nicht ausdrücklich genannten Beschwerden nach Nr. 3500 RVG-VV behandelt wissen will, ist die Aufzählung auch abschließend (OLG München NJW-RR 2006, 1727; KG FGPrax 2009, 235; KG vom 6.1.2009 - 1 W 514/08 zitiert nach juris; OLG Karlsruhe vom 3.6.2008 - 11 Wx 143/06 = BeckRS 2009, 26909; OLG Schleswig ZEV 2006, 366; a.A. OLG Köln vom 30.7.2008, 2 VA (Not) 2/07 = DNotZ 2009, 396/397). Hätte der Gesetzgeber nur eine beispielhafte Aufzählung gewollt, so hätte er dies in der Vorbemerkung zum Ausdruck bringen müssen, etwa durch Einfügung des Wortes "insbesondere". Der Gesetzesbegründung (Drucks. 15/1971, S. 213) kann zwar ein genereller Wille entnommen werden, mit dem Berufungsverfahren vergleichbare Beschwerdeverfahren auch kostenrechtlich gleich zu behandeln; im für den Richter verbindlichen Gesetz selbst findet dies hingegen nur für bestimmte und in sich abgegrenzte Angelegenheiten seinen Niederschlag.

2. Eine analoge Anwendung von Nr. 3200 RVG-VV im Erbscheinsverfahren kommt nicht in Betracht. Sie scheitert bereits am Fehlen einer Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat die Gebühren ausdrücklich auch für die Vertretung in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit regeln wollen. Zwar wurde durch Art. 47 Abs. 6 Nr. 19 Buchst. e FGG-RG (vom 17.12.2008, BGBl. I, 2586) die Überschrift von VV zu § 2 Abs. 2 RVG Teil 3 geändert; die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit werden nicht mehr ausdrücklich erwähnt, sondern zusammen mit den bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten unter dem Begriff Zivilsachen zusammengefasst. In Ergänzung zur Vorbemerkung 3.2. hat der Gesetzgeber in der Vorbemerkung 3.2.1. die Verfahren, die eine Gebühr nach Nr. 3200 RVG-VV auslösen können, enumerativ aufgezählt. Es spricht nichts für die Annahme, dass der Gesetzgeber das Erbscheinsverfahren hierbei zu erwähnen vergessen hat (a.A. Ruby ZEV 2006, 366; Rohlfing/Trappe ErbR 2010, 83), da Nachlasssachen ausdrücklich in §§ 72 ff. FGG geregelt waren und auch in das FamFG (§§ 342 ff.) übernommen worden sind. Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt...

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