Entscheidungsstichwort (Thema)

Löschung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit bei möglichen Rückständen

 

Leitsatz (amtlich)

Hat der Erblasser neben einer öffentlichen Verfügung auch eine eigenhändige Verfügung von Todes wegen getroffen, muss das Grundbuchamt, wenn sich aus dem Vorhandensein der privatschriftlichen Verfügung Bedenken gegen die Wirksamkeit der öffentlichen Verfügung ergeben, die Wirksamkeit des privatschriftlichen Testaments klären und seinen Inhalt würdigen, um festzustellen, ob die Bedenken begründet sind. Dem Grundbuchamt obliegt auch die Auslegung eines früheren gemeinschaftlichen eigenhändigen Testaments zu der Frage, ob die Wirksamkeit einer späteren in öffentlicher Form vorgenommenen Erbeinsetzung von der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments berührt wird.

 

Normenkette

BGB § 1090 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG München

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des AG München - Grundbuchamt - vom 1.8.2016 aufgehoben.

 

Gründe

I. Die Beteiligte ist Eigentümerin von Grundbesitz, den ihr ihr Ehemann gemäß Vertrag vom 20.2.2013 übertragen hatte. Im Zuge der Überlassung belastete sie das Grundstück ("Familienheim") zugunsten des Übergebers mit einem Nutzungsrecht in Form einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit folgenden Inhalts:

Der Berechtigte ist befugt, neben dem Eigentümer sämtliche Räume des Anwesens ... zu bewohnen und alle in diesem Gebäude vorhandenen Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Hausbewohner dienen, zu nutzen, ebenso den Garten.

Die Kosten für den Verbrauch von Strom, Wasser und Heizung bezüglich der der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit unterliegenden Räumlichkeiten tragen der Eigentümer und der Berechtigte gemeinsam.

Die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung der von der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit betroffenen Räume und die Kosten der Schönheitsreparaturen haben der Eigentümer und der Berechtigte ebenfalls gemeinsam zu tragen.

...

Das Recht erlischt mit dem Ableben des Berechtigten.

Am 27.2.2013 wurden in der Zweiten Abteilung des Grundbuchs je unter Bezugnahme auf die Bewilligung unter lfd. Nr. 2 die Dienstbarkeit und unter lfd. Nr. 3 eine Vormerkung zur Sicherung des gleichfalls vereinbarten, auflösend durch die Vorlage einer Sterbeurkunde nach dem Berechtigten bedingten Rückübertragungsanspruchs eingetragen.

Mit Schreiben vom 12.5./7.6.2016 hat die Beteiligte unter Vorlage der Sterbeurkunde ihres am 22.3.2016 verstorbenen Ehemannes die Löschung der Dienstbarkeit wie der Rückauflassungsvormerkung beantragt.

Das Grundbuchamt hält das Wohnungs- und Mitbenützungsrecht wegen möglicher Rückstände vor Ablauf von einem Jahr nach dem Tod des Berechtigten nicht für löschungsfähig. Alternativ hat es angeregt, dass die Löschung notariell durch die Erben des Berechtigten bewilligt wird.

Daraufhin hat die Beteiligte als Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemannes am 22.6.2016 die Löschung der Dienstbarkeit notariell bewilligt und ebenso wie die Löschung der Vormerkung nochmals beantragt.

Das Grundbuchamt hat die Nachlassakten beigezogen. Diese enthalten folgende am 20.5.2016 eröffnete letztwillige Verfügungen:

  • Eigenhändiges gemeinschaftliches Testament des Erblassers mit seiner vorverstorbenen Ehefrau E. vom 1.4.1990, wonach diese sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen. Weiter heißt es dort unter Ziff. 1:

    Trifft der überlebende Ehepartner keine weiteren testamentarischen Anordnungen - weil er dazu nicht willens oder nicht fähig ist - dann ist nach dem Tode des Überlebenden die gesetzliche Erbfolge grundsätzlich ausgeschlossen.

    2. Vielmehr gilt dann und auch für den Fall, dass wir gemeinsam versterben sollten, die folgende testamentarische Bestimmung:

    a) Erben zu gleichen Teilen:

    ...

  • Erbvertrag zwischen dem Erblasser und der Beteiligten vom 27.11.2012 (mit Nachtrag vom 8.1.2013), in dem (u.a.) der Erblasser die Beteiligte zu seiner alleinigen und ausschließlichen Erbin einsetzt und diese die vertragliche Einsetzung annimmt.

11. Am 1.8.2016 hat das Grundbuchamt folgende fristsetzende Zwischenverfügung getroffen:

Zum Nachweis der Erbfolge sei die Vorlage eines Erbscheins erforderlich. Grundsätzlich genüge zwar die Vorlage eines Erbvertrags samt Eröffnungsniederschrift. Vorliegend ergäben sich aber im Hinblick auf die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments vom 1.4.1990 begründete Zweifel an der Wirksamkeit des Erbvertrags. Die Bindungswirkung bestünde dann nicht, wenn die Schlusserbeneinsetzung im Testament vom 1.4.1990 wirklich nur für den Fall gelte, dass der überlebende Ehegatte nicht anderweitig testiert. Zur Prüfung des Erbrechts müssten daher weitere Ermittlungen über den tatsächlichen Willen des Erblassers angestellt werden. Dies gelte auch wegen der im Nachlassverfahren von den potentiellen Schlusserben erhobenen Einwendungen.

Gegen die Zwischenverfügung richtet sich die anwaltlich eingelegte Beschwerde der Beteiligten vom 28.9.2016 mit folgender Begründung:

Die Löschung sei bereits allein aufgr...

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