Entscheidungsstichwort (Thema)

Hauptverhandlung. Untersuchungshaft. Haftbefehl. Verteidigungsverhalten. Fluchtgefahr. Beschleunigungsgrundsatz. Verfahrensverzögerung. gesetzlicher Richter

 

Normenkette

StGB §§ 64, 67 Abs. 2 Sätze 2-3; StPO § 112 Abs. 2 Nr. 2, § 116; GVG § 21e Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG München II (Entscheidung vom 23.12.2019; Aktenzeichen 400 Ws GStA 22/20 f)

LG München II (Entscheidung vom 15.10.2019)

AG München (Entscheidung vom 04.02.2019)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 01.04.2020; Aktenzeichen 2 BvR 225/20)

 

Tenor

  • I.

    Die Beschwerde des Angeklagten F... M... S... vom 23.12.2019 gegen den Haftbefehl des Landgerichts München II vom 15.10.2019 wird als unbegründet verworfen.

  • II.

    Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

I.

1. Der am 03.02.2019 vorläufig festgenommene Angeklagte F. M. S. befindet sich aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts München vom 04.02.2019, eröffnet am selben Tag, ersetzt durch Haftbefehl des Landgerichts München II vom 15.10.2019, eröffnet am 23.10.2019, seit 04.02.2019 ununterbrochen in Untersuchungshaft. Der Haftbefehl des Amtsgerichts München vom 04.02.2019 wurde mit Beschluss des Landgerichts München II vom 23.10.2019 aufgehoben. Der Senat hat mit Beschlüssen vom 16.08.2019, Gz. 2 Ws 812/19 H, und vom 27.11.2019, Gz. 2 Ws 1218/19 H, jeweils die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet.

Dem Angeklagten liegt unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 2 Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Mittäterschaft, in Tatmehrheit mit räuberischer Erpressung und mit vorsätzlichem unerlaubten und gewerbsmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 3 Fällen zur Last. Insgesamt soll der Angeklagte mit 1,3 kg Marihuana (Ziff. 1. und 3 der Anklageschrift, Tatzeiten: August 2018, Oktober 2018 bis Januar 2019) und 1,9 kg Kokain (Ziff. 4 der Anklageschrift, Tatzeit 03.02.2019) unerlaubt Handel getrieben und einen BtM-Abnehmer zum Zwecke der Eintreibung von Schulden aus einem Betäubungsmittelgeschäft mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben bedroht haben (Ziff. 2 der Anklageschrift). Das Kokain, welches Gegenstand des Anklagepunktes Ziff. 4 ist, wurde bei der Durchsuchung beim Angeklagten sichergestellt. Wegen der Einzelheiten hinsichtlich der dem Angeklagten zur Last liegenden Taten wird im Übrigen auf den Haftbefehl vom 15.10.2019 und die Anklageschrift vom 22.07.2019 Bezug genommen.

Die Staatsanwaltschaft hat mit Anklageschrift vom 22.07.2019 gegen den Angeklagten S... und die zur Tatzeit heranwachsende Mitangeklagte L... Anklage zum Landgericht München II - Jugendkammer - erhoben. In der Folgezeit erließ die Kammer diverse Beschlüsse zur Vermögensabschöpfung oder Beschlagnahme und es gingen noch weitere Ermittlungsergebnisse bei Gericht ein, insbesondere das psychiatrische Sachverständigengutachten vom 25.09.2019 betreffend den Angeklagten S. .

Anlässlich der Eröffnung des Haftbefehls vom 15.10.2019 fand am 23.10.2019 ein Erörterungsgespräch unter Beteiligung der Kammer, des sachbearbeitenden Staatsanwalts und des Verteidigers Dr. W. statt. Der weitere Verteidiger P. hatte im Vorfeld wegen Terminschwierigkeiten sein Einverständnis mit der Vertretung nur durch einen Verteidiger geäußert. Ausweislich des Vermerks über das Gespräch teilte der Verteidiger Dr. W. mit, dass der Angeklagte hinsichtlich der Ziffern 1, 3 und 4 der Anklageschrift ein Geständnis ablegen würde. Im weiteren Verlauf wurden zwischen den Beteiligten die Strafvorstellungen geäußert. Der Staatsanwalt wies insbesondere darauf hin, dass aufgrund der zu erwartenden Strafe selbst bei Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB ein Vorwegvollzug anzuordnen wäre. Die Kammer nannte schließlich - je nach Verhalten des Angeklagten in der Hauptverhandlung - eine Strafvorstellung zwischen 6 Jahren 6 Monaten und 7 Jahren 6 Monaten. Hiermit erklärten sich Staatsanwaltschaft und Verteidiger einverstanden. Der Verteidiger wies jedoch darauf hin, dass dies nur vorbehaltlich einer Rücksprache mit dem Angeklagten und dem weiteren Verteidiger gelte. Als mögliche Hauptverhandlungstermine stellte die Kammer 6 Termine zur Auswahl (20. /23.12.2019, 20./28.01.2020 oder 16./17.03.2020).

Mit Beschluss vom 20.11.2019 hat die Jugendkammer die Anklage der Staatsanwaltschaft München II vom 22.07.2019 mit kleineren Änderungen im Hinblick auf die rechtliche Würdigung, im Übrigen aber unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Mit Verfügung vom gleichen Tag hat die Kammer - wegen verschiedentlicher Verhinderungsmeldungen insbesondere auf Seiten der Verteidigung - Termin zur Hauptverhandlung auf den 20.12.2019 sowie einen Fortsetzungstermin auf den 23.12.2019 bestimmt. Hierzu wurden 9 Zeugen und 5 Sachverständige geladen.

Am 20.12.2019 fand die Hauptverhandlung statt. Ausweislich des Protokolls gab der Verteidiger Rechtsanwalt P... für den Angeklagten zur Sache eine Erklärung ab. Im Vorlageb...

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