Verfahrensgang
LG München I (Entscheidung vom 30.11.2016) |
AG München (Entscheidung vom 02.10.2015) |
Tenor
I.
Auf die Revision des Angeklagten werden die Urteile des Amtsgerichts München vom 2. Oktober 2015 und des Landgerichts München I vom 30. November 2016 aufgehoben.
II.
Der Angeklagte wird freigesprochen.
III.
Die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe
Die zulässige Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und führt zu seinem Freispruch (§ 354 Abs. 1 StPO).
I.
1. Das Amtsgericht München hat den Angeklagten nach einem vorangegangenen Strafbefehlsverfahren am 2. Oktober 2015 wegen Beleidigung in drei tateinheitlichen Fällen zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 100 € verurteilt. Ein erstes die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft verwerfendes Urteil des Landgerichts hat der Senat mit Beschluss vom 11. Juli 2016 aufgehoben und die Sache an eine andere Strafkammer zurückverwiesen. Mit Urteil vom 30. November 2016 hat das Landgericht München I erneut beide Berufungen verworfen.
Dem Schuldspruch im nunmehr angefochtenen Berufungsurteil lag zugrunde, dass der Angeklagte in einer in einem Beschwerdeverfahren beim Oberlandesgericht München erhobenen Anhörungsrüge vom 16. Februar 2015, in der er sich mit der Nichteinleitung eines Ermittlungsverfahrens hinsichtlich einer von ihm erhobenen Strafanzeige und der Verwerfung seines diesbezüglichen Klageerzwingungsantrages durch das Oberlandesgericht beschäftigt, unter Ziff. IX ausführte:
"Der Unterschied zwischen Ihnen und Roland Freisler liegt in Folgendem: Während Roland Freisler im Gerichtssaal schrie und tobte und überhaupt keinen Wert darauf legte, das von ihm begangene Unrecht in irgendeiner Weise zu verschleiern, gehen Sie den umgekehrten Weg: Sie haben sich ein Mäntelchen umgehängt, auf dem die Worte "Rechtsstaat" und "Legitimität" aufgenäht sind. Sie hüllen sich in einen Anschein von Pseudolegitimität, die Sie aber in Wahrheit in keiner Weise für sich beanspruchen können. Denn in Wahrheit begehen Sie - zumindest in diesem vorliegenden Justizskandal - genauso schlicht Unrecht, wie es auch Roland Freisler getan hat. So betrachtet ist das Unrecht, das Sie begehen noch viel perfider, noch viel abgründiger, noch viel hinterhältiger als das Unrecht, das ein Roland Freisler begangen hat: Bei Roland Freisler kommt das Unrecht sehr offen, sehr direkt, sehr unverblümt daher. Bei Ihnen hingegen kommt das Unrecht als unrechtmäßige Beanspruchung der Begriffe Rechtsstaatlichkeit und Demokratie daher: Sie berufen sich auf die Begriffe Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, handeln dem aber - zumindest in dem vorliegenden Justizskandal - zuwider.".
Das Landgericht hat ausgeführt, dass es sich bei den Äußerungen des Angeklagten unter Ziff. IX der Anhörungsrüge um beleidigende Werturteile handele, die den Tatbestand des § 185 StGB erfüllten (UA S. 131-133). Diese seien auch nicht nach § 193 StGB gerechtfertigt. Die gebotene Abwägung ergebe, dass hier die persönliche Ehre der Betroffenen die Meinungsfreiheit des Angeklagten überwiege, insbesondere weil es sich um eine grobe Beleidigung handele, der Senat für Ausfälligkeiten des Angeklagten keinen Anlass gegeben habe und der Angeklagte mit seiner Anhörungsrüge keine besonders gewichtigen Interessen der Allgemeinheit verfolgt habe (UA S. 134-137).
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet. Mit der Sachrüge wendet er sich insbesondere gegen die seiner Ansicht nach fehlerhafte Abwägung im Rahmen des § 193 StGB.
Die Generalstaatsanwaltschaft hält die Revision für offensichtlich unbegründet. Insbesondere sei die Äußerung aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht mehr von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt.
II.
Während die Verfahrensrüge aus den von der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 3. März 2017 mitgeteilten Gründen erfolglos bleibt, ist die erhobene Sachrüge begründet und führt zum Freispruch des Angeklagten. Die Revision rügt im Ergebnis zu Recht, dass das Berufungsgericht die Abwägung im Rahmen des § 193 StGB rechtsfehlerhaft vorgenommen hat.
1. Die Kammer hat allerdings zutreffend die streitgegenständlichen Äußerungen als Werturteile qualifiziert, die zwar nicht als Schmähkritik zu werten sind (vgl. dazu bereits Senatsbeschluss vom 11. Juli 2016 sowie Hilgendorf in Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch (LK-StGB), 12. Aufl., § 193 Rdn. 25 und BVerfG, Beschluss vom 28.07.2014, 1 BvR 482/13, zitiert nach [...], dort Rd. 11 (ebenfalls zur Kritik an richterlichen Handlungen)), den Tatbestand des § 185 StGB aber grundsätzlich erfüllen, weil sie das Handeln der betroffenen Richter mit dem Vorgehen von Roland Freister vergleichen (UA S. 130-133; vgl. zur Auslegung im Einzelnen LK-StGB-Hilgendorf aaO § 185 Rdn. 17 und 21 und zu einem vergleichbaren Sachverhalt Beschluss des OLG Frankfurt ...