Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsanspruch bei Kostenwiderspruch im Eilverfahren
Normenkette
RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 2; ZPO §§ 91, 93
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 06.05.2005; Aktenzeichen 1 HKO 1782/05) |
Tenor
1. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG München I vom 6.5.2005 wird dahingehend abgeändert, dass die von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf 1.421,70 EUR festgesetzt werden.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Beschwerdewert beträgt 1.083,20 EUR.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beklagte wendet sich dagegen, dass eine Verfahrensgebühr lediglich aus dem Kostenwert und nicht zusätzlich eine 0,8 Verfahrensgebühr aus dem Hauptsachewert anerkannt wurde.
Gegen die Beklagte erging eine einstweilige Verfügung vom 20.1.2005. Der Beklagtenvertreter wurde beauftragt, gegen die einstweilige Verfügung vorzugehen. Nach Entgegennahme der Informationen und Prüfung der Sach- und Rechtslage wurde einer Empfehlung des Beklagtenvertreters folgend lediglich Kostenwiderspruch eingelegt. Die Rechtspflegerin hat lediglich eine 1,3 Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert anerkannt.
II. Die sofortige Beschwerde ist begründet.
Unzweifelhaft ist, dass der Beklagtenvertreter eine 0,8 Verfahrensgebühr aus dem Hauptsachewert verdient hat. Er hatte einen umfassenden Verfahrensauftrag. Die Verfahrensgebühr entsteht dann gem. RVG-VV-Vorbemerkung 3 Abs. 2 bereits mit der Entgegennahme der Information.
Allerdings vertritt die h.M. die Auffassung, dass bei einer Beschränkung auf einen Kostenwiderspruch lediglich eine 1,3 Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert anfällt. Dies wird damit begründet, dass die Kosten einer anwaltlichen Beratung, die nicht dem Führen, sondern der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen, nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig i.S.v. § 91 ZPO sind (BGH v. 22.5.2003 - I ZB 38/02, NJW-RR 2003, 1293 = AnwBl. 2003, 592 = JurBüro 2002, 466). Es müsse dasselbe gelten wie in dem Fall, in dem der Mandant dem Rechtsanwalt den Auftrag erteilt, ein erstinstanzliches Urteil im vollen Umfang mit der Berufung anzugreifen, in dem letztlich aber nur hinsichtlich eines Teils Rechtsmittel eingelegt wird. Hier bestehe kein Erstattungsanspruch hinsichtlich der Mehrkosten, die sich auf den Teil beziehen, für den kein Rechtsmittel eingelegt wurde (Hamburg JurBüro 1985, 283).
Demgegenüber sind nach Auffassung des Senats die Grundsätze heranzuziehen, die beim Anerkenntnis gelten. Ein erfolgreicher Kostenwiderspruch steht einem sofortigen Anerkenntnis i.S.v. § 93 ZPO nahe. In beiden Fällen wird der Gegner in unberechtigter Weise mit einer prozessualen Maßnahme überzogen (Gerold/Schmidt/Müller/Rabe, 16. Aufl., Anhang Rz. 150; Schneider, AGS 2003, 447). Das ist nicht vergleichbar mit dem Fall, dass eine Partei nach anwaltlicher Beratung von einer weitergehenden Berufung absieht, weil sie einsehen muss, dass diese nicht erfolgversprechend ist. Bei einem Anerkenntnis erhält der Anerkennende eine 1,3 Verfahrensgebühr und eine 1,2 Terminsgebühr erstattet. Die Tatsache, dass beim Kostenwiderspruch nach der h.M. durch die inzident vorliegende Verzichtserklärung keine Gebühr aus dem Hauptsachewert anfällt, kann nicht dazu führen, dass auch die 0,8 Verfahrensgebühr nicht erstattet wird, die zweifellos angefallen ist, wenn der Rechtsanwalt zunächst einen umfassenden und nicht auf die Kostenfrage beschränkten Auftrag hatte (Gerold/Schmidt/Müller/Rabe, 16. Aufl., Anhang Rz. 150 ff.).
Der Beklagten stehen somit folgende Erstattungsansprüche zu.
1,3 Verfahrensgebühr aus Kostenwert4.000 EUR = 318,50 EUR
0,8 Verfahrensgebühr aus Hauptsachewert100.000 EUR = 1.083,20 EUR
Kontrollrechnung gem. § 15 Abs. 3 RVG
1,3 Verfahrensgebühr aus 100.000 EUR = 1.760,20 EUR
Kommunikationspauschale 20,00 EUR
Endbetrag 1.421,70 EUR
III. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
IV. Im Hinblick darauf, dass der Senat von der h.M. abweicht, wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Fundstellen
AnwBl 2005, 795 |
AGS 2005, 496 |
RVG-B 2005, 169 |
RVGreport 2006, 28 |
OLGR-Süd 2005, 818 |
RVG-Letter 2005, 132 |