Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesellschafterversammlung, Gewerbeuntersagung, Eintragung, Abfindung, Berufung, Fonds, Gesellschafter, Gesellschaft, Zustellung, Einziehung, Genehmigung, Frist, Ermittlungsverfahren, Beteiligung, wichtiger Grund, juristische Person, nicht ausreichend
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 10.06.2021; Aktenzeichen 8 HK O 7552/20) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 10.06.2021, Az. 8 HK O 7552/20, in seiner Ziffer 1 dahingehend abgeändert, dass die in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 20.05.2020 gefasste Beschlüsse zu TOP 1 über die Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin an der Beklagten mit den laufenden Nrn. ... bis ... aus wichtigem Grund gemäß § 11 Abs. 2 lit. d) der Satzung der Gesellschaft gegen Zahlung eines Verkehrswertes dieser Geschäftsanteile und zu TOP 3 über die verhältniswahrende nominelle Aufstockung der Geschäftsanteile der weiteren Gesellschafter für nichtig erklärt werden.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleitung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien streiten um die Gesellschafterstellung der Klägerin in der Beklagten.
Die Beklagte ist eine GmbH mit Sitz in ..., die sich seit Mitte 2022 in Liquidation befindet. Ihr Geschäftsgegenstand war laut § 2 Abs. 2 ihres Gesellschaftsvertrages (Anl. K 3, im Folgenden mit GV abgekürzt) "die Tätigkeit einer verwaltenden Holding-Gesellschaft, insbesondere der Erwerb, das Halten und die Verwaltung von Beteiligungen an anderen Unternehmen, sowie die Durchführung sämtlicher Maßnahmen und Erledigung sämtlicher Geschäfte, die mittelbar oder unmittelbar dem vorgenannten Unternehmensgegenstand dienen oder diesen zu fördern geeignet und bestimmt sind mit Ausnahme solcher Tätigkeiten, die eine gesetzliche Genehmigung oder eine besondere Gewerbeerlaubnis erfordern."
Das 25.000 EUR betragende Stammkapital der Beklagten ist in 25.000 Geschäftsanteile mit einem Nennbetrag von jeweils 1,00 EUR eingeteilt. Jedenfalls bis zum 20.05.2020 waren Inhaber der Geschäftsanteile Nrn ... bis ... Herr ..., der Geschäftsanteile Nrn ... bis ... Herr ... und der Geschäftsanteile Nrn ... bis ... die Klägerin.
Geschäftsführer der Beklagten ist Herr ....
Der Gesellschaftsvertrag lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 11
Einziehung von Geschäftsanteilen
1. (...)
2. Die Einziehung des Geschäftsanteils eines Gesellschafters ohne dessen Zustimmung ist zulässig, wenn:
a. von Seiten eines Gläubigers eines Gesellschafters Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in dessen Geschäftsanteil vorgenommen werden und es dem Inhaber des Geschäftsanteils nicht binnen 3 Monaten seit Beginn dieser Maßnahme gelungen ist, ihre Aufhebung zu erreichen;
b. über das Vermögen des Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und nicht innerhalb von 24 Wochen wieder aufgehoben wird;
c. die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters mangels Masse abgelehnt wird;
d. in der Person des Gesellschafters ein seine Ausschließung rechtfertigender Grund vorliegt. Ein solcher Grund ist insbesondere gegeben, wenn der Gesellschafter eine Verpflichtung, die ihm nach dem Gesellschaftsvertrag oder einer anderen zwischen den Gesellschaftern mit Rücksicht auf die Gesellschaft getroffenen Vereinbarung obliegt, vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat.
(...)
6. Die Einziehung oder Abtretung von Geschäftsanteilen kann von der Gesellschafterversammlung nur mit einer Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen beschlossen werden. Bei der Beschlussfassung steht dem betroffenen Gesellschafter kein Stimmrecht zu, seine Stimmen bleiben bei der Berechnung der Mehrheit außer Betracht."
Alleingesellschafter der Klägerin ist Herr ....
Am 25.10.2018 fand eine außerordentliche Gesellschafterversammlung der Beklagten statt, auf deren Tagesordnung laut Anl. K 10 die Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin wegen eines gegen den Alleingesellschafter der Klägerin laufenden Ermittlungsverfahrens stand, in dessen Verlauf die gesamten Vermögenswerte des Herrn ... arrestiert wurden. Eine Einziehung der Geschäftsanteile der Klägerin wurde in der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 25.10.2018 nicht beschlossen.
Mit Bescheid vom 19.09.2019 (Anl. BK 5) untersagte die Stadt ... Herrn ... "(d) ie Ausübung der Gewerbetätigkeiten: Beratungsdienstleistungen, Unternehmensberatung, Beratungsdienstleistungen im In- und Ausland im Bereich der koordinierenden Unterstützung bei der Strukturierung von Produkten, Unternehmensberatung von fremden und gruppennahen Unternehmen sowie Beratung bei der regelmäßigen fachlichen und personellen Unterstützung von Prei...