Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingeschränkte Streu- und Räumpflicht bei Blitzeis
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 29.04.2009; Aktenzeichen 34 O 18656/08) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG München I vom 29.4.2009, Az. 34 O 18656/08 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht ggü. der Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld für einen glättebedingten Sturz geltend, bei dem sie sich verletzt hat.
Am 15.2.2008 gegen 8.10 Uhr morgens verließ die Klägerin ihre Wohnung in der N.straße ... in München. Der Beklagten obliegen die Verkehrssicherungspflichten am Unfallort. An diesem Morgen herrschte im Stadtgebiet von München ab ca. 6.00 Uhr Blitzeis.
Die Klägerin hat in 1. Instanz geltend gemacht, dass sie auf dem vereisten Gehweg gestürzt sei. Sie habe sich erheblich am linken Arm verletzt. Die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, da sie den Gehweg der N.straße nicht gestreut habe. Wäre ordnungsgemäß gestreut gewesen, wäre die Klägerin nicht hingefallen. Die Klägerin leide bis heute an Bewegungseinschränkungen. Die Verletzung rechtfertige ein Schmerzensgeld von mindestens 5.000 EUR. Außerdem hat sie materiellen Schaden von 57,55 EUR geltend gemacht, sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren.
Sie hat in 1. Instanz beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 7.8.2008 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 57,55 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 7.8.2008 sowie Kosten i.H.v. 546,69 EUR an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Die Beklagte hat in 1. Instanz vorgetragen, sie sei ihrer Streupflicht ordnungsgemäß nachgekommen. Es sei an diesem Morgen "Volleinsatz" gefahren worden. Sie habe angesichts der extremen Witterungsverhältnisse überobligatorisch ihre Pflichten erfüllt. Auch der Gehweg der N.straße sei ca. eine halbe Stunde vor dem behaupteten Sturz der Klägerin mit Splitt abgestreut worden. Bei den am 15.2.2008 herrschenden Witterungsverhältnissen (Blitzeis) sei nicht ausschließbar, dass der Splitt bis zum Sturz der Klägerin seine abstumpfende Wirkung verloren habe. Angesichts der geringen Verkehrsbedeutung der N.straße könne von der Beklagten nicht verlangt werden, den Weg im Halbstundenrhythmus zu streuen. Vorsorglich werde ein überwiegendes Mitverschulden der Klägerin geltend gemacht sowie die behaupteten Beeinträchtigungen bestritten.
Das LG hat die Klage nach Anhörung der Klägerin und Vernehmung der Zeugen H., E., I. und Y. mit Urteil vom 29.4.2009 abgewiesen. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme hat das LG die Überzeugung gewonnen, dass die Beklagte ihren Verkehrssicherungspflichten in gebotenem Umfang nachgekommen ist. Ergänzend wird auf das Urteil vom 29.4.2009 (Bl. 49/57 d.A.) Bezug genommen.
Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren vollumfänglich weiterverfolgt.
Die Klägerin macht geltend, zu Unrecht sei das LG zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beklagten aufgrund der außerordentlichen Witterungsverhältnisse und der von ihr getroffenen Maßnahmen keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen sei. An die Streupflicht seien strenge Anforderungen zu stellen. Die Beklagte habe nicht das ihr Zumutbare getan, um potentielle Risiken durch das Blitzeis an der Unfallstelle so weit als möglich zu verringern. Es sei unabdingbar, für diese Situation einen Notfallplan zu erstellen, um effizient gegen die besondere Gefahrensituation vorzugehen. Die Beklagte hätte darüber hinaus noch detaillierter Auskunft über den Einsatz ihrer Mitarbeiter und die Anzahl der Streufahrzeuge erteilen müssen. Außerdem habe die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflichten durch die Verordnung vom 20.12.1990 konkretisiert, wonach sie spätestens bis 7 Uhr sämtliche Gehwege zu streuen bzw. das darauf befindliche Eis zu beseitigen habe. Die Sicherungsmaßnahmen seien so oft zu wiederholen, wie dies zur Verhütung von Gefahren erforderlich sei. Eine Begrenzung durch das Kriterium des Zumutbaren enthalte die Verordnung nicht. Zudem habe das LG die Beweise fehlerhaft gewürdigt. Die Angaben der Zeugen seien in vielerlei Punkten widersprüchlich und stünden nicht mit den Tagesberichten in Einklang.
Die Klägerin beantragt in der Berufungsinstanz:
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Urteils des LG München I vom 29.4.2009, Az. 34 O 18656/08 verurteilt, an die Klägerin ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 7.8.2008 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 57,55 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basis...