Verfahrensgang
LG Traunstein (Urteil vom 16.04.2003; Aktenzeichen 3 O 2127/04) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Traunstein vom 16.4.2008 - 3 O 2127/04, wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die am 9.11.2000 geborene Klägerin verlangt Schmerzensgeld und Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen behaupteter fehlerhafter ärztlicher Behandlung durch die Beklagten. Sie macht Aufklärungsversäumnisse sowie ein nicht den Regeln der Kunst entsprechendes Vorgehen im Zusammenhang mit einer Leistenhemienoperation geltend.
Am 27.11.2000 diagnostizierte der Beklagte zu 1), der als leitender Belegarzt im Kreiskrankenhaus N. tätig war, bei der Klägerin eine rechtsseitige Leistenhernie, weswegen er die Klägerin am 1.12.2000 im Kreiskrankenhaus N. operierte. Der Beklagte zu 2) war während der Operation der verantwortliche Anästhesist.
Der Beklagte zu 2) führte am 29.11.2000 mit dem Vater der Klägerin ein Telefonat über den anstehenden Eingriff, dessen Inhalt streitig ist. Am Morgen des 1.12.2000 unterzeichneten die Eltern der Klägerin ein Einwilligungsformular (Anlage B 5).
Bei der Operation kam es zu atemwegsbezogenen Komplikationen. Die Sauerstoffsättigung fiel ab, es kam zu einer Kreislaufdestabilisierung und Pulsabfall. Zunächst wurde die Klägerin mit einer Larynxmaske beatmet, dann erfolgte eine Intubation. Es wurde auch eine Herzdruckmassage durchgeführt. Die Klägerin erwachte nach Beendigung der Operation nicht aus der Narkose und musste auf die Intensivstation des Kinderkrankenhauses L. verlegt werden. Sie verblieb dort bis 3.1.2001. Infolge des Narkosezwischenfalls hat die Klägerin eine schwere zentralmotorische Störung erlitten, die insbesondere die Fein- und Grobmotorik, die Koordinations- und Artikulationsfähigkeit der Klägerin beeinträchtigt (spastische Tetraparese mit Linksbetonung und dystoner Komponente; Strabismus con-vergens). Ergänzend wird bezüglich des Gesundheitszustandes der Klägerin auf den Arztbrief des Klinikums der Universität M. vom 4.3.2002 (Anlage K 1), den Entwicklungsbericht vom 30.6.2008, die Berichte der Orthopädischen Klinik M.(Anlagen zu Bl. 288 d.A.) und die logopädische Stellungnahme der Praxis T. (Anlage zu Bl. 291 d.A.) Bezug genommen.
Vertreten durch ihre Eltern hat die Klägerin in 1. Instanz geltend gemacht, dass die Eltern nicht wirksam in die Operation eingewilligt hätten. Sie hätten von den Beklagten darüber informiert werden müssen, dass bei einem Neugeborenen wegen der noch instabilen Atmungsorgane ein hohes Operationsrisiko bestehe. Den Eltern sei nicht gesagt worden, zu welch schwerwiegenden dauerhaften Schäden der Eingriff führen könne. Da die Operation zum damaligen Zeitpunkt nicht zwingend geboten gewesen sei, hätten die Beklagten den Eltern den Rat erteilen müssen, mit dem Eingriff zu warten, bis das Neugeborene stabiler sei. Auch sei den Eltern verschwiegen worden, dass das Klinikum N. nicht über eine Kinderintensivstation verfüge. Wären die Eltern richtig informiert gewesen, hätten sie die Operation nicht, zumindest nicht zu diesem Zeitpunkt und nicht in dieser Klinik, durchführen lassen. Das Telefonat des Beklagten zu 2) vom 29.11.2000 stelle kein ausreichendes Aufklärungsgespräch dar, zumal mit der Mutter der Klägerin nicht gesprochen worden sei. Auch die Aufklärung durch den Beklagten zu 1) sei mangelhaft, zumal das diesbezügliche Formular nicht vorgelegt werden könne.
Zudem seien bei der Operation Fehler gemacht worden. Der Beklagte zu 2) habe nicht die nötige Erfahrung für eine Anästhesie einer Neugeborenen gehabt. Fehlerhaft sei die Hinzuziehung eines zweiten Anästhesiearztes unterblieben. Auch die Qualifikation der Assistenzschwester sei unzureichend gewesen. Das Operationsteam sei den auftretenden Komplikationen nicht gewachsen gewesen und habe zahlreiche Fehler gemacht. Bei den ersten Auffälligkeiten hätte die Operation abgebrochen werden müssen, stattdessen habe der Beklagte zu 1) weiteroperiert. Es seien unvertretbar hohe Dosen an Narkosemitteln verabreicht worden. Wärmeprotektive Maßnahmen seien unterlassen worden. Der Einsatz der Larynxmaske sei fehlerhaft gewesen, ein zu großer Tubus sei verwendet worden und die Klägerin sei mit zu hohem Druck beatmet worden. Dies alles habe zu der Schädigung der Klägerin geführt. Die Dokumentation sei lückenhaft und unzureichend. Man hätte das Kind früher nach L. verlegen müssen. Soweit die gerichtlichen Sachverständigen das Vorgehen der Beklagten als fachgerecht beurteilten, sei dies Folge kollegialer Voreingenommenheit. Bei Beachtung der erforderlichen ärztlichen Sorgfalt wäre es nicht zu der schwerwiegende...