Leitsatz (amtlich)

Der Markeninhaber bringt mit der Marke versehene Ware im Inland mit der Folge der Erschöpfung nach § 24 MarkenG in Verkehr, wenn er sich der Verfügungsgewalt über die Ware dadurch begibt, dass er diese im Inland einem vom überseeischen Käufer beauftragten Frachtführer übergibt. Über die Aufgabe der Verfügungsgewalt hinaus ist beim Inverkehrbringen durch den Markeninhaber selbst kein weiteres Willenselement erforderlich. Mit der Aufgabe der Verfügungsgewalt über die Ware hat der Markeninhaber von seinem Recht, das erste Inverkehrbringen der mit der Marke versehenen Ware im EWR zu kontrollieren, Gebrauch gemacht. Auf die vertraglichen Beziehungen zwischen Markeninhaber und Käufer einschl. etwaiger vertraglicher Vertriebsbeschränkungen, die dem Käufer auferlegt sind, kommt es für das Inverkehrbringen durch den Markeninhaber bei dieser Konstellation nicht an.

 

Normenkette

MarkenG § 24

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 1HK O 4309/02)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 27.04.2006; Aktenzeichen I ZR 162/03)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG München I vom 15.1.2003 – 1HK O 4309/02 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beklagten ggü. der Klägerin die mit Anwaltsschreiben vom 4.3.2002 (Anl. K 1) geltend gemachten Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche nicht zustehen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin, die bundesweit cash & carry-Märkte betreibt, begehrt ggü. der Beklagten, die Herrenhemden produziert und vertreibt, die Feststellung, dass der Beklagten ggü. der Klägerin die mit Abmahnungsschreiben vom 4.3.2002 (Anl. K 1) wegen angeblicher Markenrechtsverletzung geltend gemachten Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche nicht zustehen.

Die Beklagte ist Inhaberin der deutschen Wortmarke Nr. 00355391 „E.”, die beim Deutschen Patent- und Markenamt mit Priorität vom 27.7.1925 u.a. für Herrenhemden eingetragen ist (Anl. ASt 1 im Anlagenkonvolut B 1). Die Beklagte ist ferner Inhaberin der deutschen Wortmarke Nr. 39611513 „e.E.”, die beim Deutschen Patent- und Markenamt mit Priorität vom 8.3.1996 u.a. für Bekleidungsstücke, insb. Hemden, eingetragen ist (Anl. ASt 1 im Anlagenkonvolut B 1).

Die Klägerin bewarb in ihrer Werbebroschüre „M.P.” für den Verkaufsstart 9.3. 2002 Hemden der Marke „e.E.” (Anl. ASt 2 im Anlagenkonvolut B 1) und bot diese in ihren Märkten an. Bei diesen von der Klägerin angebotenen Hemden handelt es sich um eine Teilmenge aus einer Menge von 40.000 Hemden, die die Beklagte nach Übersee verkauft hatte, wobei Käuferin nach der bestrittenen Darstellung der Beklagten die E.-A.D. Ltd. S:A. de CV mit Sitz in Mexiko war. Die Ware wurde von der Beklagten im September 2001 in P. (Deutschland) an die Spedition V. übergeben; im Frachtbrief (Anl. K 3; Anlagenkonvolut ASt 6 im Anlagenkonvolut B 1) ist die Spedition V. als Frachtführer angegeben; als Empfänger ist in diesem Frachtbrief die E.-A.D. LTD. mit Sitz in Tortola, British Virgin Islands angegeben, als Auslieferungsort des Gutes ist in diesem Frachtbrief Genua angegeben. Die Beklagte mahnte die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 4.3.2002 (Anl. K 1) ab. Darin heißt es u.a.:

„Bei den Hemden handelt es sich um eine Teilmenge einer Lieferung die unsere Mandantin im vergangenen Jahr an die E.D. Ltd. in Cancun, Mexico, veräußert hat. … Die von Ihnen angebotenen Hemden sind im Juli 2001 nach Mexiko verschifft und nunmehr offensichtlich von Ihnen reimportiert worden. Es handelt sich damit um Waren, die – da sie weder von unserer Mandantin noch mit deren Zustimmung innerhalb des nach § 24 Abs. 1 MarkenG maßgeblichen Territoriums in Verkehr gesetzt wurden – nicht der markenrechtlichen Erschöpfung unterliegen. Hinzu kommt, dass die Ware nach dem Inverkehrbringen wesentlich verändert wurde. gem. § 24 Abs. 2 MarkenG tritt keine Erschöpfung im markenrechtlichen Sinne ein, wenn die Ware nach deren Inverkehrbringen innerhalb des nach § 24 Abs. 1 MarkenG maßgeblichen Territoriums verändert oder verschlechtert wurde.

Da die Markenrechte unserer Mandantin sowohl nach § 24 Abs. 1 MarkenG als auch nach § 24 Abs. 2 MarkenG nicht erschöpft sind, verletzen Sie mit dem Vertrieb der Hemden sowie mit der Werbung dafür die Markenrechte unserer Mandantin und sind dieser ggü. zur Unterlassung, zur Auskunftserteilung über den Umfang der Verletzungshandlung, zur Herausgabe der Ware zur Sicherstellung des Vernichtungsanspruches unserer Mandantin (§ 18 MarkenG) sowie ggf. zum Schadensersatz verpflichtet. Namens und in Vollmacht unserer Mandantin mahnen wir Sie hiermit wegen der Markenrechtsverletzung ab und fordern Sie auf, die im Entwurf beigefügte Strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung rechtsverbindlich zu u...

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