Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährung von Organhaftungsansprüchen
Leitsatz (amtlich)
1. Die materielle Rechtskraft eines Prozessurteils besagt nur, dass die Klage mit dem damals anhängigen Streitgegenstand unter den damals gegebenen prozessualen Umständen mindestens aus dem in den Entscheidungsgründen genannten Grund unzulässig war und ist. Eine neue Klage über denselben Streitgegenstand kann also nur dann als zulässig behandelt werden, wenn sich die prozessualen Umstände in dem fraglichen Punkt gegenüber dem Vorprozess geändert haben, d.h. die materielle Rechtskraft bewirkt lediglich eine Sperre für die Wiederholung einer Klage, die auf denselben Streitgegenstand gerichtet ist und die denselben prozessualen Mangel aufweist, der zur Klageabweisung führte.
2. Ansprüche nach § 93 Abs. 3 Nr. 1 iVm § 57 AktG sowie Schadensersatzansprüche wegen Verletzung des Anstellungsvertrags nach § 280 BGB verjähren in der Frist des § 93 Abs. 6 AktG. Diese beginnt gemäß § 200 BGB mit Entstehen des Anspruchs. Auf die Kenntnis der Gesellschafter oder der Gesellschaft von den anspruchsbegründenden Tatsachen kommt es nicht an.
3. Der Tatbestand der Untreue nach § 266 StGB setzt einen Vermögensschaden desjenigen voraus, dessen Vermögensinteressen der Täter zu betreuen hat. Erforderlich ist, dass durch die Tathandlung eine Minderung des Vermögens eintritt, die nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung durch einen Vergleich des Vermögensstandes vor und nach der Tat unter lebensnaher wirtschaftlicher Betrachtungsweise festzustellen ist. Ein Nachteil liegt deshalb nicht vor, wenn durch die Handlung zugleich ein den Verlust aufwiegender Vermögenszuwachs begründet wird.
4. Ein unter Verstoß gegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG abgeschlossener Verzicht oder Vergleich ist unwirksam und bleibt dies auch nach Ablauf der Frist von drei Jahren. Auch eine nachträgliche Genehmigung führt nicht zur Wirksamkeit.
Normenkette
AktG §§ 57, 82 Abs. 1, § 93; BGB §§ 200, 280, 823 Abs. 2, § 826; StGB § 266; ZPO §§ 322, 533 Nr. 2
Verfahrensgang
LG München II (Urteil vom 28.07.2017; Aktenzeichen 10 O 4/16) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München II vom 28.07.2017, Az. 10 O 4/16 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abgewiesen wird.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus diesen Urteilen jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger macht Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten, den ehemaligen Vorstand der T. H. AG, geltend.
Die T. H. AG wurde am 27.10.2006 gegründet. Seit der Gründung hält der Kläger 88,79% des Grundkapitals, der Beklagte derzeit gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, Frau K. G., 11,21%. Am 27.10.2006 wurde der Beklagte zum Vorstand der T. H. AG bestellt. Seit Februar 2015 ist der Kläger Vorstand der T. H. AG.
Am 25.04.2012 stellte der Beklagte Insolvenzantrag in Eigenverwaltung. Am 01.06.2012 wurde die Zeugin B. zur Sachwalterin, am 12.02.2015 zur Insolvenzverwalterin über das Vermögen der T. H. AG bestellt. Der Kläger und die Zeugin B. als Insolvenzverwalterin schlossen am 20.11.2015 die als Anlagen K 26 und B 1 vorgelegten "Abtretungsvereinbarungen".
Die Parteien führen eine Vielzahl von Prozessen gegeneinander. In einem Güterichterverfahren vor dem Landgericht München II (Az. 8 O 2402/110 GÜ) schlossen die Parteien am 27.05.2011 einen "Zwischenvergleich" unter Beteiligung verschiedener anderer Personen, die "der Gruppe Franz D." oder "der Gruppe Ernst D." zugerechnet wurden. Nach diesem Vergleich sollte der Beklagte eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Erstellung eines Schiedsgutachtens "zur Überprüfung des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs durch den Vorstand der T.H. AG für den Zeitraum ab dem 01.07.2009" beauftragen. Das Schiedsgutachten sollte für die Beteiligten verbindlich i.S. §§ 315 ff BGB sein. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Anlage B 18. Des Weiteren schlossen die Parteien unter Beteiligung verschiedener anderer Personen der Gruppen "Franz D." und "E. D." am 11.10.2012 einen weiteren Vergleich. In diesem verpflichteten sich die beteiligten Personen "im Sinne eines Vorvertrages", einen beurkundeten Vertrag abzuschließen, der u.a. die Übertragung von Miteigentumsanteilen an verschiedenen Immobilien sowie von Aktien vorsehen sollte. Nach Ziff. VIII sind "beide Gruppen damit einverstanden", dass Ansprüche der T. H. AG gegen Dritte nur im Rahmen des Insolvenzverfahrens verfolgt würden. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Anlage B 11.
Der Kläger behauptet insbesondere, der Beklagte habe verschiedene Gegenstände für die T. H. AG erworben, obwoh...