Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung des HU-Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Vereinbarung, die den Handelsvertreter zum Ankauf der ihm vom Unternehmer überlassenen Musterkollektion verpflichtet, ist unwirksam.
2. Übernimmt ein Handelsvertreter ohne Gegenleistung eine Gebietsvertretung und den vorhandenen Kundenstamm und erklärt er sich neun Monate später bereit, eine namhafte Ablösesumme (hier 142.500 DM) für die Übernahme des Handelsvertretergebiets zu zahlen, so sind die bereits übernommenen Altkunden bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs den gewordenen Neukunden gleichzustellen.
3. Bei der Berechnung des Handelsvertreterausgleichsanspruchs in der Textilbranche im Modeartikelbereich ist von einem Prognosezeitraum von drei Jahren und einer jährlichen Abwanderungsquote von 30 % auszugehen.
Normenkette
HGB §§ 86a, 87a, 89b
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 13 HKO 115/97) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG München I v. 22.8.2000 in Ziff. I.5. dahin gehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 103.628,26 DM nebst 5 % Zinsen hieraus seit 9.9.1997 zu bezahlen. Hinsichtlich des weitergehenden Ausgleichsanspruchs wird die Klage abgewiesen.
II. Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird das Endurteil des LG München I v. 22.8.2000 in Ziff. I.4. dahin gehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 70.285,19 DM nebst 5 % Zinsen aus 21.053,69 DM seit 21.1.1997 und aus 49.231,50 DM seit 8.9.1997 zu bezahlen.
III. Im Übrigen werden die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin zurückgewiesen.
IV. Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 1/4 und die Beklagte 3/4.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung von 250.000 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
2. Der Klägerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung von 10.000 DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
VI. Die Beschwer beider Parteien im Berufungsverfahren übersteigt 60.000 DM.
Tatbestand
Die Klägerin macht Ansprüche aus einem beendeten Handelsvertretervertrag geltend. Die Beklagte – vormals O.GmbH Textilhandel – produziert und vertreibt Damenoberbekleidung. Aufgrund schriftlichen Vertrages v. 17.8.1990 (K 1) war die Klägerin seit 1.1.1991 für die Beklagte als Handelsvertreterin im Gebiet Nord-Württemberg tätig. Die vereinbarte Provision betrug 7 % vom Nettoumsatz. Dazu enthielt § 6 Nr. 1 Abs. 2 des Vertrages folgende Klausel:
„Der Anspruch auf Zahlung der Provision entsteht, sobald und soweit der Kunde das Entgelt für das provisionspflichtige Verkaufsgeschäft gezahlt hat. Nachträgliche Minderungen des Entgelts, zu denen sich die Firma veranlasst sieht, muss der Vertreter gegen sich gelten lassen. Die Firma ist nur dann zur gerichtlichen Geltendmachung ihres Erfüllungsanspruchs verpflichtet, wenn diese Maßnahme hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht.”
Weiter bestimmt § 5 Nr. 1 des Vertrages:
„Der Vertreter erhält rechtzeitig zum Saisonbeginn eine Musterkollektion, die von ihm mit einem von der Firma gewährten Rabatt i.H.v. 60 % käuflich zu erwerben ist. Die Zahlung der Musterkollektion erfolgt durch Verrechnung mit Provisionsansprüchen des Vertreters. Eine Rückgabe gegen Gutschrift ist ausgeschlossen.”
Nach der Übernahme des Vertragsgebiets bezahlte die Klägerin an die Beklagte gemäß deren Rechnung v. 9.10.1991 (K 10) eine Ablösesumme von 142.500 DM. Dies entsprach dem Betrag, den die Beklagte ihrerseits dem Vorgänger der Klägerin als Ausgleich schuldete.
Entsprechend der in § 5 Nr. 1 des Vertrages getroffenen Regelung kaufte die Klägerin 1991 und in den folgenden Jahren die ihr von der Beklagten überlassenen Musterkollektionen für die jeweilige Frühjahr-/Sommersaison (FS) und die Herbst-/Wintersaison (HW). Nachdem die Beklagte das Handelsvertreterverhältnis mit Schr. v 30.12.1996 (K 4) zum 30.6.1997 ordentlich gekündigt hatte, lehnte die Klägerin die Bezahlung der ihr im Januar 1997 übergebenen Musterkollektion für HW 97 ab.
Mit ihrer beim LG am 30.12.1996 eingegangenen Stufenklage hat die Klägerin zunächst die Erteilung eines Buchauszuges für das Jahr 1992 und die sich daraus ergebenden Provisionsansprüche geltend gemacht. Mit rechtskräftigem Teilurteil v. 8.4.1997 (Bl. 31/37 d.A.) hat das LG die Beklagte antragsgemäß zur Erteilung des Buchauszuges verurteilt.
Mit Schriftsatz v. 7.8.1997 (Bl. 46/102 d.A.) hat die Klägerin u.a. im Wege einer weiteren Stufenklage die Erteilung eines Buchauszuges für die Zeit v. 1.1.1993 bis zum 30.6.1997 und die sich daraus ergebenden Provisionsansprüche geltend gemacht. Das LG hat die Beklagte auch insoweit mit Teilanerkenntnisurteil v. 10.2.1998 (Bl. 170/171) zur Erteilung dieses weiteren Buchauszuges verurteilt.
Darüb...