Entscheidungsstichwort (Thema)

Nutzungsbedingungen von Facebook: Nutzerpflicht zur Angabe des Klarnamens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die in den Allgemeinen Nutzungsbedingungen von Facebook enthaltene Klausel, wonach Facebook-Nutzer ihre wahren Namen und Daten anzugeben haben, d.h. denselben Namen zu verwenden, den der Nutzer auch im täglichen Leben verwendet, ist nicht i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Bestimmung des § 13 Abs. 6 S. 1 TMG unvereinbar. (Rn. 54)

2. Für Facebook ist es nicht zumutbar, seinen Nutzern eine Anonymisierungs- bzw. Pseudonymisierungsmöglichkeit bereitzustellen. Die Vorschrift des § 13 Abs. 6 S. 1 TMG wird nicht durch den Anwendungsvorrang der Datenschutzgrundverordnung verdrängt. Das liegt aber nur daran, dass ein Widerspruch zwischen den vorrangigen Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung und § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG jedenfalls durch die gebotene unionsrechtskonforme Auslegung dieser Vorschrift vermieden werden kann. (Rn. 58)

 

Normenkette

BGB § 307 Abs. 2 Nr. 1; EUV 2016/679 Art. 5 Abs. 1 Buchst. c; EUV 2016/679 Art. 5 Abs. 1 Buchst. e; EUV 2016/679 Art. 25 Abs. 1; EUV 2016/679 Art. 32 Abs. 1; TMG § 13 Abs. 6 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Ingolstadt (Urteil vom 13.09.2019; Aktenzeichen 31 O 227/18)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 27.01.2022; Aktenzeichen III ZR 4/21)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Ingolstadt vom 13.09.2019, Az. 31 O 227/18, dahin abgeändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

2. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird zugelassen, soweit der Senat die Klage hinsichtlich des Klageantrages zu 1) (Freischaltung des Benutzerkontos der Klägerin) abgewiesen hat.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Freischaltung ihres unter dem Pseudonym "..." angelegten Nutzerkontos auf der von der Beklagten betriebenen Plattform "Facebook" sowie Ansprüche auf Schadensersatz und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend. Das Nutzerkonto der Klägerin wurde von der Beklagten am 19.01.2018 gesperrt, nachdem die Klägerin der Aufforderung der Beklagten, ihren Profilnamen zu ändern, nicht nachgekommen war.

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes und der Anträge in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts Ingolstadt vom 13.09.2019 (Bl. 117/119 d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage nur im Hinblick auf die Freischaltung des klägerischen Nutzerkontos nebst anteiliger vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Freischaltung ihres Nutzerkontos und Gewährung des unbeschränkten Zugriffs auf alle Kontofunktionen zu. Ziffer 4 der Geschäftsbedingungen der Beklagten, wonach Facebook-Nutzer ihre wahren Namen und Daten angäben, sei unwirksam (§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB), da diese Regelung gegen § 13 Abs. 6 Telemediengesetz (TMG) verstoße. Die Bereitstellung einer Anonymisierungs- bzw. Pseudonymisierungsmöglichkeit für ihre Nutzer sei der Beklagten nicht unzumutbar. Dies ergebe sich aus einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien. Zwar sei die Verwendung von Pseudonymen möglicherweise geeignet, "Cyber-Mobbing" und "Hassrede" zu fördern und zu einem "Radikalisierungseffekt" beizutragen. Auch könne davon ausgegangen werden, dass die von der Beklagten verfolgte "Wahre-Namen-Politik" derartigen Gefahren entgegenwirken könne. Dem stehe jedoch das Interesse der Nutzer und hier der Klägerin gegenüber, ihre Meinung nach außen hin auch anonym zu äußern und persönlich für andere Nutzer nicht ohne Weiteres identifizierbar zu sein. Dass die zuletzt genannten Interessen die der Beklagten überwögen, beruhe insbesondere darauf, dass es der Beklagten angesichts der unstreitigen und allgemein bekannten Verpflichtung jedes Nutzers, sich bei der Beklagten unter seinem wahren Namen anzumelden, ohne Weiteres möglich sei, die Identität des jeweiligen Nutzers zu ermitteln. Damit bestehe jedoch eine hinreichende Einflussmöglichkeit der Beklagten auf ihre Nutzer im Sinne der von ihr verfolgten Politik. Wegen der Unwirksamkeit von Ziffer 4 der Geschäftsbedingungen der Beklagten sei die Beklagte aus dem zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnis verpflichtet, der Klägerin die Nutzung von Facebook unter dem von der Klägerin gewählten Namen "..." zu ermöglichen.

Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von täglich ... EUR seit dem 19.01.2018 bestehe nicht. Ein vermögensrechtlicher Schaden der Klägerin durch die Sperrung ihres Nutzerkontos sei weder vorgetragen noch nachgewiesen. Zwar könne auch in Ausnahmefällen ein nicht vermögensrechtlicher S...

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