Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Haftung auf Schadenersatz von Porsche wegen Abgasmanipulation bei einem von Audi gelieferten Dieselmotor (hier: Porsche Cayenne)
Leitsatz (amtlich)
1. Die Porsche AG muss sich nicht als Unternehmen des VW-Konzerns gemäß §§ 242, 166 BGB eine Kenntnis der ebenfalls dem Konzern angehörenden Audi AG von der unzulässigen Bedatung einer Motorsteuerungssoftware (von durch Audi an Porsche gelieferten Motoren) zurechnen lassen. (Rn. 36)
2. Die Verletzung einer etwaigen Überprüfungspflicht würde keine Haftung der Porsche AG aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung begründen, da sie sich grundsätzlich darauf verlassen durfte, dass ihr Zulieferer die von ihm gelieferten Bauteile nach den vertraglich vereinbarten Qualitätsanforderungen hergestellt hat. (Rn. 46)
Normenkette
BGB §§ 31, 166, 242, 826; ZPO § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Traunstein (Urteil vom 27.12.2019; Aktenzeichen 6 O 3596/17) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 27.12.2019, Az.: 6 O 3596/17, dahin abgeändert, dass die Klage gegen die Beklagte zu 1) in vollem Umfang abgewiesen wird.
II. Die Berufung des Klägers gegen das vorgenannte Endurteil wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des für die Beklagte zu 1) vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger, der einen vom Diesel-Abgasskandal betroffenen Pkw des Typs Porsche Cayenne erworben hat, verlangt von der Beklagten zu 1) als Herstellerin Schadensersatz in Höhe des gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs. In erster Instanz hatte er daneben auch die Beklagte zu 2) als Verkäuferin des Fahrzeugs samtverbindlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen.
Hinsichtlich der Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts Traunstein vom 27.12.2019 (Az.: 6 O 3596/17) Bezug genommen.
...
Die Beklagte zu 1) hat gegen das ihr am 02.01.2020 zugestellte erstinstanzliche Urteil mit Schriftsatz vom 29.01.2020, beim Oberlandesgericht München eingegangen am selben Tage, Berufung eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz vom 30.03.2020, eingegangen am selben Tage, begründet, nachdem auf ihren Antrag vom 17.02.2020 die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 30.03.2020 verlängert worden war.
Der Kläger, dem das erstinstanzliche Urteil ebenfalls am 02.01.2020 zugestellt worden war, hat mit Schriftsatz vom 30.01.2020, beim Oberlandesgericht München eingegangen am selben Tage, ebenfalls Berufung eingelegt, soweit die Klage gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen worden war. Mit weiterem Schriftsatz vom 30.03.2020 hat er sein Rechtsmittel begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum Ablauf dieses Tages verlängert worden war.
Die Beklagte zu 1) führt zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen aus, das Landgericht habe zu Unrecht der Klage gegen die Beklagte zu 1) überwiegend stattgegeben:
Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft und unter Verletzung der ihm obliegenden Hinweispflicht angenommen, dass die Beklagte zu 1) eine sekundäre Darlegungslast in Bezug auf den klägerseits behaupteten Schädigungsvorsatz treffe. Richtigerweise hätte die Klage mangels hinreichend substantiierten Sachvortrags abgewiesen werden müssen. Stattdessen habe das Landgericht seine Entscheidung auf eigene Vermutungen und Spekulationen gestützt. Die Beklagte zu 1) treffe bereits deshalb keine sekundäre Darlegungslast, weil sie den streitgegenständlichen Motor und die zugehörige Steuerungssoftware weder entwickelt noch hergestellt habe.
Sämtliche Ansprüche des Klägers scheiterten daran, dass die Beklagte zu 1) den in das streitgegenständliche Fahrzeug verbauten Dieselmotor nur zugekauft habe. Nicht nur der Motor und dessen Softwaresteuerung, sondern auch das System der Abgasnachbehandlung seien von der ... AG als Gesamtsystem entwickelt und hergestellt worden, wobei die Typisierung nach der Euro-6-Norm vereinbart gewesen sei. Die ... AG habe zudem die sogenannte Vernetzung der Antriebseinheit mit dem Fahrzeug übernommen. Dies umfasse die Einstellung des Motors sowie die Bedatung und Abstimmung der Software auf das entsprechende Fahrzeug (Applikation). In diesem Rahmen werde die Software mit den konkreten Parametern bedatet, die für das Fahrverhalten des Fahrzeugs entscheidend seien. Es sei somit nicht die Aufgabe der Beklagten zu 1), sondern der ... AG gewesen, die Dieselmotoren in die Fahrzeuge zu integrieren.
Bei der Endmontage der Fahrzeuge habe die Beklagte zu 1) den von ... gelieferten Dieselmotor lediglich in das von der ... AG gelieferte teilmontierte Fahrzeug - das bereits das Motorsteuergerät samt Software umfasst habe - eingebau...