Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung bei Ladungsmangel
Leitsatz (amtlich)
1. Ist dem Gesellschafter bekannt, wo er sich hinbegeben muss, um zur Gesellschafterversammlung zu erscheinen, kommt es nicht darauf an, ob an diesem Tag unter dieser Anschrift ein Briefkasten und/oder ein Klingelschild der Gesellschaft vorhanden war.
2. Ist im Gesellschaftsvertrag geregelt, dass "Versammlungsleiter der dienstälteste Geschäftsführer der Gesellschaft" sein soll, so ist dies dahingehend auszulegen, dass der dienstälteste der jeweils anwesenden Geschäftsführer die Versammlung leiten soll.
3. Eine angekündigte Tagesordnung muss die Beschlussgegenstände hinreichend konkretisieren, wobei allerdings weder eine genaue Formulierung der Beschlussanträge noch eine Begründung erforderlich ist. Dabei ist ausreichend, wenn klar ist, was gemeint ist, sodass unter Umständen auch eine allgemeine Formulierung oder Bezugnahme auf frühere Versammlungen hinreichend ist. Die Ankündigung eines Bestätigungsbeschlusses über den Verkauf von Gesellschaftsanteilen beinhaltet aber nicht die Entlastung der Geschäftsführer für ihre Handlungen im Rahmen des tatsächlichen Vollzugs des Beschlusses und damit des Verkaufs der Geschäftsanteile.
4. Eine Beschlussfassung, die wegen nicht ordnungsgemäßer Ankündigung gegen § 51 Abs. 2, 4 GmbHG verstößt, ist nicht nur anfechtbar, sondern nichtig. Auf eine etwaige Relevanz des Verstoßes kommt es bei der Nichtigkeitsklage nicht an.
Normenkette
GmbHG §§ 21, 38 Abs. 1, § 47 Abs. 4, § 48 Abs. 2, § 51 Abs. 2, 4
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 29.03.2018; Aktenzeichen 16 HK O 7910/17) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 29.03.2018, Az. 16 HK O 7910/17, in Ziffer 1. dahingehend abgeändert, dass darüber hinaus festgestellt wird, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 29.08.2017 zu TOP 5 der Tagesordnung insoweit nichtig ist, als den Geschäftsführern der Beklagten für die Veräußerung sämtlicher Geschäftsanteile der Beklagten an der ... Ha. GmbH Entlastung erteilt wird.
2. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 20%, die Klägerin 80%.
4. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand
A. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 29.08.2017.
Die Beklagte ist eine GmbH, deren Gegenstand "die Beteiligung bei anderen Gesellschaften und die Übernahme der persönlichen Haftung und der Geschäftsführung bei anderen Gesellschaften sowie die Verwaltung eigenen Vermögens und das Halten von Beteiligungen" ist (§ 2 Ziffer 1 des Gesellschaftsvertrages vom 08.02.2017, im Folgenden als GV bezeichnet, laut Anl. K 2).
§ 8 GV lautet:
1. "Die Beschlüsse der Gesellschafter werden in Versammlungen gefasst. Zur Beschlussfassung ist einfache Stimmenmehrheit erforderlich. (...) Satzungsänderungen, die Auflösung der Gesellschaft, den (sic) Abschluss von Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträgen oder sonstiger Unternehmensverträgen (sic) sowie die Umwandlung oder Verschmelzungen können nur in förmlicher Gesellschafterversammlung mit 3/4-Mehrheit der abgegebenen Stimmen beschlossen werden."
(...) 3. "Zur Gesellschafterversammlung ist durch Einschreibebrief, Telefax, E-Mail oder gegen Quittung zu laden. (...) Zu laden ist unter Angabe von Tagungsort, Tagungszeit, Tagesordnung und vorgeschlagener Beschlussfassung. Ladungsberechtigt ist jeder Geschäftsführer allein. Trifft die Gesellschafterversammlung hierüber keine andere Bestimmung, ist Versammlungsleiter der dienstälteste Geschäftsführer der Gesellschaft."
4. (...) "Eine Beschlussanfechtung ist nur binnen Monatsfrist seit Beschlusszustellung zulässig."
Gesellschafter der Beklagten, deren Stammkapital 25.000,00 EUR beträgt, sind die Klägerin zu 34% und die T. W. GmbH zu 66%. Zu Geschäftsführern der Beklagten wurden der Geschäftsführer der Klägerin, Herr W. B., sowie die beiden Geschäftsführer der T.W. GmbH, die Herren T. K. und H.-T. L. bestellt.
Die Beklagte hielt 100% der Anteile an der ... Ha. GmbH sowie der ... Ho. GmbH.
Mit E-Mail vom 02.05.2017 (Anl. K 4 und B 6) teilte der Geschäftsführer der Beklagten L.den beiden weiteren Geschäftsführern der Beklagten mit, dass hinsichtlich des Grundstückskaufs J.ring 17 eine ...