Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Nutzung der Bodenrichtwertsammlung eines Gutachterausschusses auf einem Internetportal
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Bodenrichtwertsammlung, in welcher Daten systematisch angeordnet und einzeln zugänglich sind, stellt eine Datenbank im Sinn des § 87a Abs. 1 S. 1 UrhG dar.
2. Der Datenbankschutz nach §§ 87a ff. UrhG für eine Bodenrichtwertsammlung ist nicht gemäß § 5 Abs. 1 UrhG ausgeschlossen, weil diese kein amtliches Werk darstellt.
Normenkette
UrhG § 5 Abs. 1, §§ 87a, 87b Abs. 1 S. 1, § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 23.03.2018; Aktenzeichen 37 O 2194/17) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 23.03.2018 wird verworfen.
II. Auf die Berufung der Beklagten wird Ziffer 5. des Tenors des Urteils des Landgerichts München I vom 23.03.2018 abgeändert und wie folgt gefasst:
5. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin 2/5. Die Beklagten tragen je 6/25 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin. 3/25 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten als Gesamtschuldner. Im Übrigen tragen die Beklagten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 1. des Tenors des Urteils des Landgerichts vom 23.03.2018 wie folgt lautet:
1. Den Beklagten wird es bei Meidung eines Ordnungsgelds von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, bei der Beklagten zu 1) zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer,
untersagt,
die Bodenrichtwertsammlung des Gutachterausschusses der Klägerin zu vervielfältigen und/oder öffentlich wiederzugeben oder solche Handlungen durch Dritte vornehmen zu lassen, wie im Internet unter der Domain "w...de" durch Wiedergabe der Bodenrichtwerte, Geschossflächenzahlen und Nutzungsformen angeboten.
III. Die Klägerin hat 2/7 der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Beklagten tragen je 2/7 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin. 1/7 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten als Gesamtschuldner. Im Übrigen tragen die Beklagten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Jeder der Beklagten kann die Vollstreckung aus Ziffer 1. des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 18.900,00 EUR und aus Ziffer 2. des landgerichtlichen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.700,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Hinsichtlich der Kosten können die Parteien die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche wegen deren Nutzung der Bodenrichtwertsammlung des Gutachterausschusses der Landeshauptstadt München auf dem Internetportal www.w...de geltend.
Die Beklagte zu 1) bot Kunden aus der Immobilienwirtschaft Karten-, Foto- und Datenmaterial für die Objekt- und Lagebeschreibung von Immobilien an und betrieb hierzu das Portal www.w.....de. Dieses übertrug sie zwischenzeitlich auf die W. GmbH. Der Beklagte zu 2) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) und der W. GmbH.
Die Bodenrichtwerte (vgl. § 196 BauGB) für die Landeshauptstadt München werden von einem unabhängigen Gutachterausschuss ermittelt. Grundlage für die Ermittlung der Bodenrichtwerte ist die bei der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses geführte Kaufpreissammlung. Die Geschäftsstelle ist bei der Klägerin angesiedelt und wird von dieser finanziert. Nach Ermittlung der Bodenrichtwerte durch den Gutachterausschuss werden diese von Mitarbeitern der Klägerin in die Datenbank eingepflegt. Anschließend werden die Daten durch einen von der Klägerin bezahlten Dienstleister für die Verwendung in Geoinformationssystemen und für den Bodenrichtwert-Kartendruck aufbereitet und an den entsprechenden Stellen aufgespielt. Die Bodenrichtwert-Printwerke werden von Mitarbeitern der Klägerin erstellt und in den Druck gegeben. Die Geschäftsstelle des Gutachterausschusses gibt alle zwei Jahre aktualisierte Bodenrichtwerte gegen Entgelt in gedruckter und digitaler Form heraus. Die Bodenrichtwertkarte besteht aus einem DIN A3 Kartenwerk mit 82 Kartenblättern und beinhaltet ca. 2.200 Bodenrichtwerte für das Gebiet der Stadt München.
Die Beklagte hat die Printversion der Bodenrichtwertsammlung der Klägerin gekauft und sich aus den dortigen Angaben zum Bodenrichtwert, der Geschossflächenzahl und der gebietstypischen Nutzungsform eine Datenbank erstellt. Mit dieser ermöglichte sie es ihren Kunden auf dem Portal www.w.....de im Wege einer Online-Abfrage, also in Echtzeit (="auf Knopfdruck"), zu jeder Adresse in München...