Leitsatz (amtlich)
1. Die Einpersonen-Vor-AG endet, wenn der Gründer seinen Gründungswillen endgültig aufgibt. Aus Gründen der Klarheit der Vermögenszuordnung ist die endgültige Aufgabe des Gründungswillens jedoch kein reines Internum. Vielmehr bedarf es für die Beendigung der Vor-AG eines (nicht notwendig rechtsgeschäftlichen) nach außen erkennbaren Anknüpfungspunktes für die Aufgabe des Gründungswillens.
2. In diesem Fall geht das Vermögen der Einpersonen-Vor-AG ipso iure auf den Gründer über, ohne dass es einer Liquidation bedürfte. Aus einem bereits abgeschlossenen Vorstandsdienstvertrag mit einem Dritten ist daher der Gründer berechtigt und verpflichtet.
3. Je nach den Umständen des Falles kann aber eine Anpassung der Laufzeit des Vorstandsdienstvertrages nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht kommen.
Normenkette
AktG § 41; BGB § 313
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 12 HK O 23518/14 (2)) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 12.5.2016 im Kostenpunkt aufgehoben und in Ziffern 1. - 3. gefasst wie folgt: Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 44.425,34 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7.470,89 EUR seit 1.8.2014, aus weiteren 7.470,89 EUR seit 1.9.2014, aus weiteren 7.470,89 EUR seit 1.10.2014, aus weiteren 7.470,89 EUR seit 1.11.2014, aus weiteren 7.470,89 EUR seit 1.12.2014 und aus weiteren 7.470,89 EUR seit 1.1.2015 zu bezahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
4. Dieses Urteil und das angegriffene Urteil, soweit es noch Bestand hat, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger macht gegen den Beklagten Ansprüche auf Vergütung bzw. Schadensersatz aus einem Vorstandsdienstvertrag geltend.
Die Parteien sind Rechtsanwälte. Der Beklagte betreibt und betrieb im streitgegenständlichen Zeitraum seine Kanzlei in der Rechtsform einer GmbH unter der Firma "L. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH". Die Parteien kamen ursprünglich über eine Stellenanzeige für die GmbH in Kontakt. In der Folgezeit entwickelten sie das Projekt einer Rechtsanwalts-Aktiengesellschaft mit dem Beklagten als alleinigem Gründer und dem Kläger als alleinigem Vorstand.
Am 21.7.2014 trafen sich die Parteien und die als Aufsichtsräte vorgesehenen Herren Gschöderer und Foidl in den Räumen des Notariats Dr. S, in München. Der Beklagte erklärte zur Urkunde des Notars die Gründung der L. Rechtsanwälte Aktiengesellschaft (Anlage K 4). Die Satzung der Aktiengesellschaft (Anlage K 7) wurde als Anlage zur Gründungsurkunde genommen. Ferner bestellte der Beklagte den ersten Aufsichtsrat der Gesellschaft, bestehend aus sich selbst als Vorsitzenden sowie den Herren G. und F. Der Aufsichtsrat bestellte sodann den Kläger zum ersten Vorstand der Gesellschaft auf die Dauer eines Jahres.
Am selben Tag unterzeichneten der Kläger sowie die drei Mitglieder des Aufsichtsrats in den Räumen des Notariats den als Anlage K 30 vorgelegten Vorstandsdienstvertrag mit der Laufzeit von 1.7.2014 bis zum 30.6.2015. Die Gesellschaft wird darin als "L. Rechtsanwaltsaktiengesellschaft" bezeichnet. Ob die Unterzeichnung dieses Dienstvertrages kurz vor oder kurz nach der Unterzeichnung der Gründungsurkunde erfolgte, ist zwischen den Parteien streitig. In der Folgezeit kam es zur Unterzeichnung eines weiteren Vorstandsdienstvertrages (Anlage K 5), der bis auf die Bezeichnung der Gesellschaft als "L. Rechtsanwälte Aktiengesellschaft" mit dem Vertrag vom 21.7.2014 inhaltsgleich ist und der vom Kläger und vom Beklagten am 29.7.2014, vom Aufsichtsratsmitglied G. am 1.8.2014 und vom Aufsichtsratsmitglied F. am 22.8.2014 unterschrieben wurde.
Eine Einzahlung des Beklagten auf das Grundkapital der Aktiengesellschaft erfolgte nicht. Zu einer Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister kam es nicht. Der Kläger hat keine Zahlungen auf die vereinbarte Vorstandsvergütung erhalten.
Mit Schreiben vom 14.11.2014 (Anlage K 18) bzw. 2.2.2015 (Anlage K 26) kündigte Rechtsanwältin K. namens des Beklagten den Vorstandsdienstvertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (14.11.2014) bzw. wegen behaupteter verbotener Konkurrenztätigkeit des Klägers (2.2.2015). Die Voraussetzungen einer formalen Wirksamkeit dieser Kündigungen (Zugang, Vollmacht) sind zwischen den Parteien streitig. Am 4.2.2015 (Anlage B 5 = K 28) kündigte der Kläger seinerseits das Dienstverhältnis wegen Nichtzahlung der vereinbarten Vergütung.
Der Kläger hat beantragt:
I. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 53.71...